Vom großen Nutzen einer guten Beichte

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Beichten heißt: sich von Gott heilen lassen. Zur Vorbereitung auf eine gute Beichte gehört die vorherige Gewissenerforschung. Diese soll selbst schon Gebet sein.

I. Das psychologische Moment
Für den Menschen ist es – psychologisch gesehen – ein Befreiungsschlag, wenn er sich vom Ideal der Fehlerlosigkeit verabschiedet. Wenn die Kirche empfiehlt, häufig zu beichten, auch leichte Sünden, so ist damit eingestanden, dass jeder Mensch Fehler macht und Sünden hat.

Die Selbstdistanzierung in der Beichte hilft, drückende Schuldgefühle loszuwerden. Jemand, der sich eingesteht: Auch das war ich, um sich dann davon zu distanzieren, indem er sich sagt: Ich kann auch anders, integriert das, was sonst verdrängt würde. Das Ich gewinnt daraus eine neue Freiheit, weil es möglich wird, die bereute Tat unverdrängt, aber bewältigt stehen zu lassen. Das Aussprechen der eigenen Schuld bringt den Menschen auf den Weg der Heilung. Die Infragestellung seiner selbst führt zur Annahme der Schuld. Und dies ist wichtig, um mit sich selbst ins Reine zu kommen.
Dadurch wird die Kraft zu Umkehr und Neuorientierung freigesetzt. Der Beichte kann die Wiedergutmachung erkannter Schuld folgen. Durch sie entwickelt sich gegen die Sünde, die immer etwas Irrationales an sich hat, eine affektive Abneigung. Auf diesem Weg kann der mutige Bekenner eigener Schuld mit größerer Leichtigkeit von der Anhänglichkeit an die Sünde Abstand gewinnen.
Der Mensch gewinnt wieder einen größeren Spielraum zur Selbstentfaltung. Die persönliche Freiheit vergrößert sich.
Es macht den Menschen nicht krank, es neurotisiert ihn nicht, wenn er sich mit einer hohen moralischen Forderung konfrontiert. Was neurotisiert, ist ein hochgehaltener Anspruch auf eigene Fehlerlosigkeit, der es schließlich nicht mehr erduldet, dass ein Fehler überhaupt mit Namen genannt wird. Hier wird anstrengende Verdrängungsarbeit gefordert, die nicht selten in Aggressionen gegen kirchliche Normgebung umschlägt.
Wer es in der regelmäßigen Beichte unternimmt, sich zu seinen eigenen Emotionen, Gefühlen, Leidenschaften und Taten nochmals zu verhalten, der gewinnt eine neue Freiheit gegenüber sich selbst. Und daraus entspringt ein größeres Selbstbewusstsein.

II. Das geistliche Moment
Der Grad der geistlichen Entwicklung eines Menschen, die religiöse Stufe, auf der er sich befindet, hängt ab von seiner Veränderungsbereitschaft. Davon, ob er sich wirklich von Gott mehr und mehr in Christus umgestalten lassen will, ob er bereit ist, auf seine Pläne einzugehen.
Wer zu diesem Punkt gelangt, dass er umkehren will, der muss Stellung nehmen zu seiner Vergangenheit, zu dem, was darin Gottes Absichten widersprochen hat. Nun gibt es Leute, die glauben, es genüge, wenn sie fortan nicht mehr Unrecht tun, nachdem sie zu besserer Einsicht gekommen sind, und die darüber zur Tagesordnung übergehen. Ein sittliches Unrecht kann aber nicht einfach „verjähren“. Es muss vergeben werden.

Zu einer wirklichen Umkehr gehört, dass der Mensch seine Schuld vor Gott hinträgt und dass sie ihm vergeben wird. Zu einer wirklichen Versöhnung mit Gott können wir nicht gelangen, solange das Unrecht von ihm nicht vergeben und von uns – wenigstens zum Teil – gesühnt ist. Und diese Vergebung geschieht in der Beichte.
Gott hat uns das Sakrament der Buße als Gnadengeschenk verliehen. Darin löst Christus die Schuld des Sünders auf, wenn er ihm in der Person des Priesters seine Sünden bekennt. Zugleich wird der Abgrund überbrückt, der den Sünder von Gott trennt. Wer sein begangenes Unrecht bekennt, wird nicht nur psychologisch frei. Gerade weil es Mühe und Selbsteinsatz kostet, weil es ein Akt der Demut ist, darum ist das Bekenntnis selbst schon ein deutliches Zeichen der Reue und Umkehrbereitschaft. Der Beichtende liefert sich Gott aus und wird auch tatsächlich von ihm umgewandelt.
Der Glaube sagt uns, dass die Sünde, die wir reumütig bekannt haben, in dem Augenblick, da uns der Priester davon losspricht, endgültig ausgelöscht wird. Hineingenommen in den Todesgehorsam Jesu, in seine Kreuzessühne, wird sie vernichtet. Soweit zum Zusammenhang von Veränderungsbereitschaft, Sündenbekenntnis und Vergebung.

Die Beichte bringt auch neue Gnaden. Man braucht nur die Biographien von heiligen und strebsamen Gläubigen zu lesen, um zu wissen, wieviel Segen durch die Jahrhunderte hindurch von der Beichte ausging, wieviel Angst und Schuldgefühl bald in Frieden verwandelt wurde.
Das Bußsakrament bewirkt nicht nur die Vergebung der Sünden, es bewirkt auch eine große Christusähnlichkeit. Es stellt ja doch eine Teilnahme am Tod Christi dar, sofern über ihn das Gericht über die Sünde erging, wie Paulus sagt (vgl. Röm 8,13), genauso aber auch eine Teilnahme an seiner Auferstehung. Der nicht in sich verschlossene, nicht verhärtete Sünder schließt sich dem Gericht an, das im Tod über Christus erging, und erhält Teil an der Gnade seines Auferstehungslebens.

Wenn wir beichten, wird unsere Taufgnade wieder neu und sind wir ganz in Christus, wie das Konzil von Trient sagt:
„Wenn wir Genugtuung leisten für unsere Sünden, so werden wir Jesus Christus ähnlich, der für unsere Sünden gesühnt hat (Röm 5,10; 1 Joh 2,1), von dem auch all unser Genügen stammt (2 Kor 3,5). Und wir haben dadurch die sicherste Gewähr, dass wir, wenn wir mit ihm gelitten haben, auch mit ihm verherrlicht werden (Röm 8,17). Darum ist die Buße, die wir für unsere Sünden entrichten, nicht so die unsere, dass sie nicht durch Christus Jesus geschähe.“
Die Beichte ist das Geschenk des Auferstandenen an seine Kirche und sie gewährt den Frieden. So ist die Frucht des Bußsakramentes „Friede des Gewissens und Freude mit starker Tröstung des Geistes“ (Konzil von Trient). Dies wird klar, wenn man die Buße als das versteht, was sie ist: als zu Gott zurückkehrende Liebe. Christus zieht uns in der Beichte aus der Finsternis der Sünde, er nimmt uns in sein Herz hinein mit unseren Wunden und Schmerzen und führt uns in sein wunderbares Licht, das unser ganzes Dasein hell macht.
Wer mit dem Sakrament der Beichte vertraut ist, der führt kein trauriges, düsteres Leben. Die Liebe, die zu Gott zurückkehrende Liebe schenkt den Frieden aus Gott und die Freude aus der vergebenden Liebe Gottes. Er wird auch selbst anderen leichter immer wieder vergeben können.

Der Priester ist für die Vergebung der Sünden da. Kein anderer als Karl Rahner hat einst geschrieben: „Wir Priester sind zur Vergebung der Sünden da. […] Und ein ‚Ego te absolvo‘ zu einer Sünde […] ist im Grunde wichtiger als alles, was wir sonst noch zur Verbesserung des menschlichen Daseins tun können.“

Am tiefsten verstanden hat das Geheimnis der Sündenvergebung der hl. Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney. Er ist der Heilige des Beichtstuhls. Stundenlang saß er jeden Tag darin, versöhnte die Gläubigen mit Gott und bereitete sie auf den würdigen, fruchtbringenden Empfang der hl. Eucharistie vor. Er war immer für seine Pfarrkinder da und er hat sie aufgefordert, zu beichten. Dabei hat er nie gezögert, zur Bekehrung aufzurufen und hat sie auch angeboten. Tage und Nächte hat er im Beichtstuhl verbracht. J. M. Vianney wusste um das Herz des Menschen. Er wusste um das Furchtbare und Abgründige der Sünde: dass sie nämlich von Gott trennt, der Quelle des Lebens.

Nirgends sind unsere Sünden so gut aufgehoben wie in der Barmherzigkeit Gottes, für die das geöffnete Herz Jesu steht. Kardinal Newman sagt: „Das heiligste Herz Jesu ist der Kanal, durch den uns alle unendliche Menschenliebe Gottes und seine göttliche Erbarmung zugeflossen ist.“
Im Feuer der Liebe seines göttlichen Herzens werden alle unsere Sünden aufgezehrt und verbrannt. Das Herz Jesu ist das Sühnopfer für unsere Sünden, wie wir in der Litanei beten.

22. Juli 2022
Fest der hl. Maria Magdalena

Prof. Dr. habil. Michael Stickelbroeck