Ich protestiere, Herr Generalvikar!

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Ich protestiere entschieden und schärfstens gegen das Vorhaben unserer Diözesanleitung, die Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechts radikal umzubauen. Generalvikar Alfons Hardt ist damit zwar in einigen Medien vorgeprescht, sicher aber nicht ohne Zustimmung unseres Erzbischofs Hans Josef Becker. Sollten die geplanten Änderungen in Kraft treten, wäre dies ein so radikaler Bruch mit Schrift und Tradition der Kirche, dass man sagen müsste: Die Trennung und Spaltung von der Weltkirche, das sogenannte Schisma, ist in Deutschland vollzogen.

Die Eile, mit der Generalvikar Hardt für unser Erzbistum jetzt vorgeht – in anderen Bistümern verläuft es ähnlich – hat sicher sehr viel mit dem Druck zu tun, der von der Initiative „OutInChurch“ aufgebaut wird, bei der sich im Zusammenspiel mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ARD) 125 Priester, Gemeindereferenten/innen, Religionslehrer/innen und sonstige im kirchlichen Dienst Stehende als „queer“-lebend bekannt haben, als „Transgender“ oder als homosexuell oder lesbisch empfindende Menschen, die teilweise auch gleichgeschlechtlich mit Partnern oder Partnerinnen zusammen leben und mit ihnen ihre Sexualität praktizieren. Auch Personen, die in heterosexueller Verbindung, aber ohne kirchliche Eheschließung leben, sind dabei (z. B. Geschiedene und zivil Wiederverheiratete).
Natürlich erntete „OutInChurch“ durch die intensive Werbung in der ARD-Sendung die erwartete öffentliche Anerkennung. Die blieb auch von Seiten des Synodalen Weges und mancher Bischöfe nicht aus, und einige der Herren hatten es dabei besonders eilig. Nun geht es, wie von „OutInChurch“ erwartet und verlangt, um eine radikale Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes.

In seinem Blog-Beitrag vom 25. Januar 2022 tastet sich Herr Generalvikar Hardt schon mal vor. Er betont, dass es „im Licht des Evangeliums keinen Missbrauch von Schutzbefohlenen und keine Diskriminierung von Menschen“ geben dürfe. „Alle Menschen“, so schreibt er, „sind in der Kirche willkommen, ganz gleich, mit welcher sexuellen Orientierung sie leben und lieben.“ Er verweist zwar auf die weltkirchliche Bedeutung des gemeinsamen Glaubens und der gemeinsamen Lehre, „die wir nicht mit einem Handstreich einfach wegwischen können“, hofft aber auch „aus tiefstem Herzen“, dass die theologische Diskussion, „weil es noch keine abschließende Klärung für die kirchliche Lehre“ gebe, „mögliche Wege so aufzeigen“ könne, „damit diese auch auf der Ebene der Weltkirche angenommen werden“.
Lugt hier nicht – ganz verstohlen um die Ecke – die alte Arroganz, dass am deutschen (Kirchen-)Wesen die Welt(-Kirche) genesen müsse?

Doch lassen wir das einmal beiseite, denn es geht um mehr. Ich übernehme vollkommen, was der Generalvikar über den Missbrauch von Schutzbefohlenen schreibt. Ich stimme ihm auch in dem zu, was er zur Diskriminierung von katholischen Christen schreibt, die nicht nach der kirchlichen Ehe- und Sexualmoral leben, denn „die Kirche muss für alle da sein“. Und doch kommt mir seine Argumentation deutlich zu platt daher.
Wer zur Kirche kommen und ihr zugehören will, muss sich auch unter Jesu Wort stellen: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Umkehr und Bekehrung gehören also unbedingt dazu! Nicht nur eine Anfangsbekehrung, sondern eine ständige! Und was lesen wir bei Mt 18,15–17? „Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder Zöllner.“ Das klingt nicht wie „bedingungslos alle mitnehmen“.
In der antiken Welt zur Zeit der apostolischen und frühen Kirche gab es alle möglichen homosexuellen und pädosexuellen Praktiken; sie galten nicht als etwas Verwerfliches. Doch es wurde niemand in die Gemeinde aufgenommen, der ihnen nicht „widersagte“. Ja, manchmal muss die Kirche auch „exkommunizieren“, wobei ich jetzt nicht nur die kirchenrechtlich verhängte Exkommunikation meine; dies dient dem Schutz der Gemeinschaft und des gemeinsamen Glaubens, soll aber besonders den Sünder zur Einsicht und Bekehrung führen. Er gehört auch weiterhin zur Kirche und hat ein Recht auf Liebe und Achtung seiner menschlichen Würde; niemand darf ihn als Feind betrachten, niemand darf hochmütig auf ihn herabschauen, denn jeder muss – mea culpa – erstmal an die eigene Brust klopfen.

Doch ist die Bereitschaft zur Bekehrung bei den „queer“ lebenden Menschen vorhanden? Ich kann das nur selten erkennen. In der Regel geht es doch darum, Druck zu machen und die Kirche mit großem Einsatz der Medien zu zwingen, vorbehaltlos alle queer-Lebensweisen als positiv und gottgewollt anzuerkennen. Seit mehr als 3000 Jahren in der jüdischen, seit 2000 Jahren in der christlichen Überlieferung, kurz in der ganzen biblischen Offenbarung, werden homosexuelle Praktiken als Sünde, schwere Sünde, betrachtet. Und komme mir keiner mit dem Argument, dass davon in der Hl. Schrift nicht die Rede sei, weil es damals noch keine Liebesbeziehung zwischen homosexuell oder lesbisch empfindenden Menschen wie heutzutage gegeben habe, so als gebe es in unserer Gesellschaft eine Form der Sexualität, die im Altertum noch nicht vorgekommen sei. Das ist, historisch betrachtet, schlichter Unsinn. Und wer so argumentiert, vergewaltigt die Heilige Schrift. Man sollte auch nicht bei Schriftstellen wie Lev 18,22 oder Röm 1,26–28 stehen bleiben; denn der Begriff „Unzucht“ beinhaltet mit Sicherheit an vielen Stellen der Hl. Schrift auch homosexuelle Praktiken und Lebensweisen.

Der Generalvikar schreibt: „In der Theologie befindet sich die Kirche hinsichtlich des Umgangs mit queer lebenden Menschen im Austausch mit den Humanwissenschaften in einer komplexen Diskussion.“ Da kann ich mich allerdings nur wundern! Diese Diskussion ist doch längst abgehakt; diskutiert im Sinne von „die-Wahrheit-suchen“ wird eben nicht mehr.
Noch etwas zu den Humanwissenschaften! Sie sind wichtig für uns, sie können und sollen uns wissenschaftliche Fakten liefern. Doch leider liefern sie nicht selten statt Fakten „Fakes“. Deshalb möchte ich davor warnen, ihnen allzu viel Vertrauen zu schenken; denn sie sind außerordentlich anfällig für Ideologien. Wer war es denn, der in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die Welt hinausposaunte, Sex mit und an Kindern sei harmlos. Es waren Humanwissenschaftler. Und eine enge Beziehung zum modernen und absurden Genderzirkus ist auch nicht zu übersehen. Kurz gesagt: Nicht die Humanwissenschaften bestimmen unsere Werte und Normen; entscheidend für uns als Kirche ist die Offenbarung, das Wort Gottes, die ständige zweitausendjährige Überlieferung. Sonst käme man nämlich zwangsläufig zu dem Schluss, dass die Kirche zweitausend Jahre lang die Menschen betrogen hätte, und unmöglich könnte sie dann die Kirche Jesu Christi sein, geführt vom Heiligen Geist.

Die Katze aus dem Sack lässt dann Generalvikar Hardt in der „Westfalenpost“ vom 4. Februar 2022, zehn Tage nach der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“, in der es um die Aktion „OutInChurch“ ging. Er stellt klar, „dass keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter befürchten muss, allein aufgrund der Offenlegung ihrer beziehungsweise seiner sexuellen Orientierung oder der Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder gleichgeschlechtlichen zivilrechtlichen Ehe gekündigt zu werden.“
Das hat es in sich! Was zunächst total übersehen wird: Hier geht es um ein Delikt, das man „Vertragsbruch“ nennt. In der Aktion „OutInChurch“ haben sich teilweise Personen „geoutet“, die durch ihre Lebensweise den Dienstvertrag mit der Erzdiözese gebrochen haben. Weitere werden folgen. Verwerflich nenne ich den Vertragsbruch, der vom Generalvikar mit seiner Erklärung gerechtfertigt wird.

Ich möchte allerdings hier nicht in eine Diskussion eintreten, für welche Berufsgruppen im kirchlichen Dienst oder in Einrichtungen der Katholischen Kirche die Lockerungen, die Generalvikar Hardt beschreibt, gelten sollten.
Mir geht es um die Menschen, die in der Katechese und im Verkündigungsdienst arbeiten, z. B. Gemeindereferenten/innen oder Religionslehrer/innen. Wenn ich diesen Teil des kirchlichen Dienstes betrachte, ist die Erklärung des Generalvikars der Super-Gau! Eine Bankrotterklärung! Wer im Dienst der Verkündigung steht, hat besondere Verpflichtungen. Er/sie übernimmt die Pflicht, den katholischen Glauben treu zu verkünden. Und damit daraus keine Heuchelei wird und ein Mensch mit zwei Gesichtern, muss auch seine/ihre persönliche Lebensführung mit dem Glauben übereinstimmen. Wer das nicht will, muss den Verkündigungsdienst aufgeben oder dieser muss von der Kirche entzogen werden. Das klingt logisch und einfach und ist es auch.
Nun bricht wohl eine neue Zeit an! Es gilt in Zukunft: Die Pflicht, die persönliche Lebensführung mit der Glaubenslehre der Kirche in Einklang zu bringen, ist aufgehoben und „abgeräumt“ (siehe unten). Der Verkündigungsdienst wird zum Job, mehr nicht. „Mach’ deinen Job; wie du lebst, interessiert uns nicht.“
Heuchelei wird zur kirchlichen Norm. Die missio canonica ist völlig entwertet und sinnlos.
Die Erlaubnis, homosexuelle oder lesbische Verbindungen zu segnen, ist dann nur noch eine Formsache; eheähnliche Trauungszeremonien für homosexuelle oder lesbische Paare werden dann sehr bald folgen und liegen im Entwurf möglicherweise schon in den Schubladen bischöflicher Ordinariate bereit. Ehebruch und Scheidung, zivilrechtlich geschlossene Zweitehe werden problemlos geduldet.

Was soll z. B. ein Pfarrer machen, der treu in der Überlieferung der Kirche leben, arbeiten und verkündigen möchte, aber einen Gemeindereferenten zugeteilt bekommt, der in einer homosexuellen Verbindung lebt und sich offen dazu bekennt? Ein Pfarrer, der ständig damit leben muss, dass seine Verkündigung und Seelsorge durch den „Seelsorger“ in Frage gestellt wird? Es bleibt ihm in letzter Konsequenz nur, seine Sachen zu packen und zu verschwinden, denn mit Unterstützung der Diözesanleitung kann er ja nicht rechnen.

Was bedeuten die Lockerungen des kirchlichen Arbeitsrechtes für die Gemeinden? Was für die einzelnen katholischen Christen? Welchen Eindruck bekommen sie?
1. Die Sexuallehre der Kirche ist aufgehoben. Die gesamte von der Kirche verkündete Moral ist fragwürdig.
2. Die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe gilt nicht mehr.
3. Weitere Aufhebungen und Brüche in Moral und Depositum fidei werden folgen. Denn: „Wenn man das Eine abschaffen kann, kann oder muss man auch das Andere über Bord werfen.“
4. Die Kirche hat mit ihrer Lehre die Menschen zweitausend Jahre lang betrogen. Dann kann sie nicht die Kirche Jesu Christi sein.

In einem Beitrag von Peter Winnemöller in „Die Tagespost“ vom 17. Februar 2022 wird Generalvikar Hardt mit dem Satz zitiert: „Wir sind gerade dabei abzuräumen“. Das hat er sicher im Einvernehmen mit dem Erzbischof gesagt. Im Amtsgelöbnis eines Bischofs aber kommt das Wort „abräumen“ nicht vor; dort wird betont vom „Bewahren“ gesprochen. Aber „abräumen“ ist heutzutage natürlich leichter; denn da bekommt man schnell Zustimmung und Beifall. Und auf dem sog. Synodalen Weg ist „abräumen“ ja Programm; da fühlen sich die meisten deutschen Bischöfe verpflichtet, kräftig mitzumachen. Doch was bleibt am Ende? Nichts, außer einem riesigen Berg Scherben – und die Spaltung der Kirche.

In demselben Beitrag – so Winnemöller – meint Monsignore Michael Bredeck, Leiter der Abteilung „Entwicklung und Kommunikation“, die Kirche hinke in vielen Dingen der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher und müsse von der Gesellschaft lernen. Was für ein erbärmliches Bild von Kirche! Die Kirche soll lernen von einer Gesellschaft, die inzwischen mehrheitlich auf den christlichen Glauben und die Gebote Gottes pfeift und ihre christlichen Wurzeln immer weiter abschneidet? Nein, Monsignore Bredeck, vom Herrn der Kirche, Jesus Christus, müssen wir lernen. Wir sind zwar nach Jesu Wort „in der Welt“, aber nicht „von der Welt“. Auf ihn müssen schauen und ihn wieder in die Mitte der Kirche lassen, von wo er verdrängt wurde von Leuten, die lieber selber „Kirche machen“ wollen! Darin liegt unser Defizit, da hinken wir hinterher, da haben wir gewaltigen Nachholbedarf.

In dem, was unsere Diözesanleitung jetzt plant – Änderung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes genannt – geht es ausschließlich um Anschluss an gesellschaftliche Entwicklungen; Jesus Christus und seine Botschaft spielen darin keine Rolle mehr, auch wenn das Gegenteil behauptet wird. Es ist eine Form der Gottlosigkeit. Und darum wiederhole ich, was ich eingangs schon getan habe:
Ich protestiere schärfstens!

25. Februar 2022

Pfarrer Manfred Rauterkus