Das Weihehindernis der Homosexualität

Symbolbild – Gemeinfrei

Am 29. November 2005 publizierte die Kongregation für das Katholische Bildungswesen eine Instruktion über Kriterien zur Berufsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesteramt und zu den heiligen Weihen. In dem von Papst Benedikt XVI. approbierten Text erklärt die Kirche, sie könne „jene nicht … den heiligen Weihen zulassen, die Homosexualität praktizieren, tiefverwurzelte homosexuelle Tendenzen aufweisen oder die sogenannte gay culture unterstützen.“[1]
Instruktionen erklären gemäß c. 34 CIC die Vorschriften von Gesetzen und entfalten und bestimmen Vorgehensweisen, die bei deren Ausführung zu beachten sind. Sie werden zum Gebrauch derer gegeben, die dafür sorgen müssen, dass die Gesetze zur Ausführung gelangen und binden bei deren Ausführung. Sie sind als strikte Anordnung anzunehmen und in der Praxis umzusetzen.[2]

Nach c. 1024 CIC kann nur ein getaufter Mann gültig das Weihesakrament empfangen. Obwohl ein homosexuell empfindender Mann sich nur mangelhaft mit seinem Mannsein identifizieren kann, ist er seiner wirklichen Natur nach, aber auch psychisch ein Mann. Als Getaufter scheint er damit die zwei genannten Bedingungen für einen gültigen Weiheempfang zu erfüllen.
Ein rein formales Verständnis von Mannsein ist jedoch im Hinblick auf das Weihesakrament und seine sinnvolle und fruchtbare Ausübung unzureichend. Mannsein kann nicht nur bedeuten, die männlichen Geschlechtsorgane zu besitzen, sondern es geht um das Zusammenwirken von drei fundamentalen Aspekten: „Die sexuelle Identität, die sexuelle Rolle und die sexuelle Ausrichtung. Die erste bezieht sich auf die sexuelle Wahrnehmung und das eigene Bewusstsein, Mann oder Frau zu sein; die sexuelle Rolle ist das Verhalten, die das Individuum zeigt und die es vor den anderen als Mann oder Frau identifiziert; die sexuelle Ausrichtung bezieht sich auf die erotische Anziehung, die ein Individuum für Männer oder Frauen empfindet“. Unter diesen Gesichtspunkten „wird mehr oder weniger derjenige Kandidat in dem Maß geeignet sein, indem er sich selbst als heterosexuell versteht, lebt und sich vor den anderen als solcher zu erkennen gibt.“[3]

Es sind vor allem theologische Gründe, die Homosexualität als objektives Weihehindernis aufzeigen. Bezeichnenderweise fehlen diese aber in der gegenwärtigen Diskussion fast vollständig, gehen unter bzw. werden selbst von Theologen, Priestern und Bischöfen nicht ernst genommen. Mit diesem Fehlen der theologischen Perspektive bleibt jedoch eine wichtige Dimension weitgehend ausgeblendet und unbeachtet. Die Frage, ob Homosexualität ein objektives Weihehindernis ist, kann nicht allein auf der Basis von psychologischen, naturwissenschaftlichen Erkenntnissen sowie pragmatischen Erwägungen beantwortet werden. Die Kirche muss ihr ureigenes Proprium stärker einbringen und offensiver darstellen, was ihr bisher nur unzureichend gelungen ist.
Der Priester, der „in persona Christi capitis“ handelt, muss ihn nicht nur als Person repräsentieren, sondern auch in einem Handeln, das spezifisch männlich ist: in seinem Handeln als „Bräutigam“ gegenüber seiner „Braut“, der Kirche. Wenn das Zeichen der bezeichneten Wirklichkeit ähnlich sein muss, ist zu fragen, ob ein homosexueller Mann Christus in diesem speziellen Handeln als „Bräutigam“ gegenüber seiner „Braut“ überhaupt repräsentieren kann, da ihm diese Relation fremd ist. Wenn der Sinn und die Symbolik des Weihesakramentes mit seinem männlich-weiblichen Hintergrund nicht verdunkelt, unscharf, beziehungsweise geleugnet werden sollen, setzt dies heterosexuelles Mannsein nicht nur als wesentlich sinnvoller, sondern sogar zwingend voraus.[4] Es scheint heute notwendiger denn je, auch in der Theologie konsequentes logisches Denken einzufordern, ernst zu nehmen und zu praktizieren, anstatt sich von Gefühlen und Emotionen leiten und überwältigen zu lassen.

Die Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche waren bzw. sind in ihrer übergroßen Mehrheit pubertäre männliche Jugendliche. Guillaume Cuchet, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Paris-Est-Creitel-Val-Marne kommentierte den am 5. Oktober 2021 vorgelegten Bericht „Sauve“ über Missbrauch in der Katholischen Kirche in Frankreich. Dieser habe drei Dinge trefflich bewusst gemacht: „Die Massivität des Phänomens des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen in der Gesellschaft, seine Verbreitung innerhalb der Kirche und die Tatsache, dass 80 Prozent der Opfer in der Kirche Jungen sind, die oftmals zwischen 10 und 13 Jahren sind.“ So sehr man die ersten beiden Ergebnisse der Untersuchung ausführlich kommentiert habe, „so sehr bleibt die dritte Tatsache bis heute im Dunkeln. Was sich aus dem Bericht jedoch sehr gut herauskristallisiert, das ist – innerhalb der Kirche – das Vorherrschen einer Form der pädophilen und ephebophilen Homosexualität unter den Missbrauchstätern.“ Dies sei von den Psychiatern und Experten des Problems in der Kirche bereits in den Jahren 1950 bis 1960 erkannt worden. Der Bericht nun habe dieses Phänomen bestätigt, doch, „man hat den Eindruck, dass er ein wenig zögert, das zu glauben.“ Es gibt sehr wohl „eine Korrelation zwischen Homosexualität und Pädophilie, ganz besonders innerhalb der Kirche“, schlussfolgert Cuchet.[5]

Damit ist die Homosexualität als Risikofaktor erwiesen, zumal auch eine hohe Rückfallquote auffällig ist.[6] Die von c. 1025, § 2 CIC geforderte Nützlichkeit des Priesters für den Dienst der Kirche, verstanden als angemessene Einsatzfähigkeit und als Unschädlichkeit für die Kirche und die ihr anvertrauten Menschen, ist somit bei homosexuellen Männern als zumindest stark eingeschränkt zu beurteilen, da ihr Einsatz in für die Kirche entscheidenden Bereichen wie der Kinder- und Jugendpastoral prinzipiell als Risiko einzuschätzen ist. Der Respekt vor Menschen, die der Kirche anvertraut sind, sowie der Schutz ihrer körperlichen und moralischen Integrität hat absolute Priorität gegenüber den Gefühlen homosexueller Männer, die sich durch die Nichtzulassung zum Empfang des Weihesakramentes verletzt, ungerecht behandelt oder diskriminiert fühlen.

Der Einsatz in der Ehe- und Familienpastoral setzt die grundsätzliche Ehe- und Familienfähigkeit des Priesters und damit heterosexuelles Mannsein voraus als unverzichtbare Bedingung für eine fruchtbare Arbeit mit Ehepaaren und Brautleuten voraus.

Das nach c. 1037 CIC vor dem Empfang der Weihe zum Diakon abzulegende Zölibatsversprechen beinhaltet nicht nur die Verpflichtung zur sexuellen Enthaltsamkeit, sondern auch einen echten Verzicht, den auf das natürliche Gut von Ehe und Familie. Dieser Verzicht setzt prinzipiell heterosexuelles Mannsein voraus. Homosexuelle Männer können diese Voraussetzung für den erlaubten Empfang der Weihe nicht erfüllen, da sie dazu unfähig sind.

Da die Weihe weder zur Erfüllung persönlicher Wünsche oder Bedürfnisse noch zum Ausgleich von Defiziten gespendet und empfangen wird,[7] Homosexualität aber eine objektive Unordnung darstellt und als defizitäre Sexualität zu bezeichnen ist,[8] können homosexuelle Männer nicht zur Weihe zugelassen werden.

Die Instruktion von 2005 betrachtet Homosexualität nicht nur als sexuelles, sondern als ein umfassenderes Problem, was deutlich wird, wenn sie davon spricht, dass sie „schwerwiegend“ die korrekte Beziehungsaufnahme zu Männern und Frauen behindert, was jedoch für die Entwicklung eines wahren Empfindens geistlicher Vaterschaft unerlässlich ist.
Damit wird ein einseitiges Fokussieren auf die „Fähigkeit zur sexuellen Abstinenz“ als dem entscheidenden Bewertungs- und Zulassungskriterium zum Weiheempfang vermieden. Es geht nicht nur darum, dass der Priester ein sexuell enthaltsames Leben führen kann. Gewiss ist diese Frage wichtig, aber es muss weit mehr bedacht werden. Homosexuelle Empfindungen beherrschen das Bewusstsein obsessiver und dominierender als Heterosexualität und gehen weit über den strikt sexuellen Aspekt hinaus. „Homosexuelle Sehnsüchte sind keine isolierten Triebe, sondern Symptome eines Gesamtdefizits in der emotionalen Entfaltung einer Person zu voller Männlichkeit bzw. Weiblichkeit. Das ist kein untergeordneter oder nebensächlicher Aspekt der Psyche. Mann oder Frau zu sein ist Teil der Substanz unserer geistigen Natur, Teil unserer persönlichen Identität.“[9]

Allein der Kirche kommt das Urteil zu, wer zur Weihe berufen ist. Eine „gefühlte“ Neigung zur Weihe oder das persönliche Verlangen danach, aus welchem heute vielfach ein Anspruch bzw. ein Recht auf die Weihe abzuleiten versucht wird, sind unzureichend.[10] Es geht vor allem um die für die Weihe und ihre sinnvolle und fruchtbare Ausübung notwendige Eignung, welche die Kirche, gestützt auf theologische und humanwissenschaftliche Erkenntnisse sowie auf konkrete und leidvolle Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart, bei homosexuellen Männern als nicht gegeben ansieht.

Nach Donald Cozzens sind die seelische Krise des Priestertums und folglich auch die seelische Krise der Kirche zum Teil eine Krise der sexuellen Orientierung. „Früher oder später wird diese Frage objektiver angegangen werden als in den letzten Jahrzehnten … Aber je länger dies dauert, umso größer wird der Schaden für das Priestertum und für die Kirche sein.“[11]

Schon im 11. Jahrhundert berichtete der hl. Petrus Daminani dem damaligen Papst Leo IX. (1048–1054) von einem „sehr greulichen und schimpflichen Laster. Der Krebs des sodomitischen Schmutzes breitet sich schleichend im Klerikerorden aus“.[12] Er wollte den Papst zum sofortigen Einschreiten gegen das homosexuelle Verhalten von Klerikern bewegen, da die sodomitische Sünde für die ganze Kirche wie für den einzelnen Sünder eine „tödliche Wunde“ ist, die ein schnelles Handeln unumgänglich macht. Es besteht darin, sich von den kranken Sündern zu trennen. Zwar können diese volle Vergebung erlangen, aber keineswegs sollen sie in den geistlichen Stand aufgenommen oder darin gehalten werden. Nur so kann die Integrität der Kirche und des geistlichen Standes gewahrt werden.[13]
Diese Worte des hl. Petrus Damiani sind so frisch und treffend, dass sie scheinbar erst gestern geschrieben wurden.

11. Februar 2022

Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes

P. Peter Mettler MSF, Dr. theol., lic.iur.can.


[1] Vgl. dazu: Mettler, P., Die Berufung zum Amt im Konfliktfeld von Eignung und Neigung. Eine Studie aus pastoraltheologischer und kirchenrechtlicher Perspektive, ob Homosexualität ein objektives Weihehindernis ist, Frankfurt, Peter Lang, 2008.
[2] Vgl. Aymans-Mörsdorf, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici. Band 1. Einleitende Grundfragen. Allgemeine Normen, Paderborn, Schöningh, 1991, 221f.
[3] San Jose Prisco, J., „La homosexualidad: Criterios para el discernimiento vocacional“, in: Seminarios 166 (2002), 529–551, 546.
[4] Vgl. Windisch, H., „Priestertum und Homosexualität“, in: Die Tagespost, 30. September 2004, 5. Prof. Dr. Hubert Windisch ist mein Doktorvater und war Ordinarius für Pastoraltheologie und Homiletik an der theologischen Fakultät der Universität Freiburg i. B.
[5] Vgl. Mettler, a.a.O., 113–133; vgl. Die Tagespost, 2. November 2021, 5.
[6] Vgl. Kiely, B., „Candidates with difficulties in celibacy: discernment, admission formation“, in: Seminarium 23 (1993), 107–118.
[7] Vgl. Windisch, H., „Nicht herstellen, sondern darstellen. Die sakramentale Indienstnahme befähigt den Amtsträger ‚in persona Christi‘ zu handeln, damit die Kirche leben kann, was sie nicht aus sich selbst zu leben vermag“, in: Die Tagespost, 25. Februar 2006.
[8] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2357: „Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet, hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, ‚dass die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind‘ (CDF, Erkl. Persona humana, 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“
[9] van den Aardweg, G., „Homopriester, Humanae vitae und die Männlichkeit“, in: Kath.net, 1. Dezember 2005; vgl. auch Ders., Die Wissenschaft sagt NEIN. Der Betrug der Homo-Ehe, Lage, Lichtzeichenverlag, 2020.
[10] Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1578: „Niemand hat ein Recht darauf, das Sakrament der Weihe zu empfangen. Keiner maßt sich dieses Recht selbst an. Man muss dazu von Gott berufen sein (vgl. Hebr 5,4). Wer Anzeichen wahrzunehmen glaubt, dass Gott ihn zum geweihten Dienst beruft, muss seinen Wunsch demütig der Autorität der Kirche unterbreiten, der die Verantwortung und das Recht zukommt, jemanden zum Empfang der Weihen zuzulassen. Wie jede Gnade kann auch dieses Sakrament nur als ein unverdientes Geschenk empfangen werden.“
[11] Cozzens, D., Das Priesteramt im Wandel. Chancen und Perspektiven, Mainz, 2003, 143.
[12] Reindel, K. (Hg.), Die Briefe des Petrus Damiani. Teil 1 (MGH. Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 4), München, 1983, Nr. 31, 284–330, 287, 1–4.
[13] Ebd., 290, 6–23.