
Das zentrale Moment der Heiligen Messe ist die Darbringung (oblatio): „Quam oblationem […]“. In der Messe wird das eine Opfer Christi dem himmlischen Vater dargebracht. Das primäre Ziel der Wandlung besteht nicht darin, einfach die Realpräsenz herbeizuführen. Die Kirche opfert nicht lediglich Brot und Wein, um es in den Leib und das Blut Christi verwandeln zu lassen, so dass die Gläubigen sie dann als Sakrament empfangen können. Sie geht vielmehr in das Opfer Christi – dem idem offerens des Tridentinum – ein und bringt es dem Vater dar, indem sie ihm auf unblutige Weise dasselbe Opfer von Kalvaria vergegenwärtigt. Für Scheeben besitzen die folgenden Momente für die Erklärung, wie die Kirche selbst einen Akt vollziehen kann, der die Selbsthingabe Christi – als repraesentatio et recapitulatio des Kreuzesopfers – repräsentiert, größte Bedeutung:
Das Opfer korrespondiert mit der innertrinitarischen und ökonomischen Selbstverherrlichung. „Doxa“ und „latreia“ bestimmen den Horizont des Messopfers. Es handelt sich um die höchste Form der Annahme, Danksagung, Anbetung und Lobpreis. Es ist auf die Vereinigung mit Gott durch Verklärung, die den Menschen ganz in das Leben Gottes eingehen lässt, als seinem Ziel ausgerichtet. So kann Scheeben in seinen „Mysterien“ sagen:
„Man erkennt sie [sc. Die Erhabenheit des Messopfers] nur dann, wenn man einsieht, daß die Verherrlichung, die der Mensch Gott darzubringen hat, eine Fortsetzung und Ausbreitung jener unendlichen Verherrlichung ist, die Gott nicht als Schöpfer, sondern als Vater in seinem Schoße von dem ihm wesensgleichen Sohne empfängt. Diese konnte von den Kreaturen nachgebildet werden, wenn sie durch die Gnade zur Teilnahme an der Natur […] des Sohnes Gottes berufen wurden. Aber fortgesetzt und ausgebreitet wird sie nur dann, wenn die begnadigte Kreatur dem Sohne Gottes einverleibt wird.“[1]
Daher ist das konstitutive Prinzip des eucharistischen Opfers nicht Destruktion, sondern Liebe – eine Liebe, die den Menschen befähigt, Gott in der höchsten Weise Ehre, Lobpreis und Verherrlichung entgegen zu bringen.
Die Messe ist an erster Stelle oblatio: Die Kirche bringt – unter ihrem eulogischen Gebet – Gott ihre Gaben dar, und in diesen Gaben bringt sie sich selbst Gott dar – eine Bewegung, die durch den Anschluss an die Selbsthingabe Christi an den Vater vollzogen wird. Die Gaben der Kirche, besonders jene von Brot, repräsentiert sie selbst als die Gemeinschaft von Gliedern, die durch die Liebe zusammengeschmiedet wurden. Doch die vorkonsekratorische Oblation bezieht sich auf diese Gaben, insofern sie in den Leib und das Blut Christi transsubstantiiert werden.[2] Das zentrale Moment des eucharistischen Opfers ist die Wandlung. Diese ist der eigentliche Opferakt, denn darin kommt es zur Aneignung der Gaben durch Gott, wodurch sie aller „Leib“ werden.
„Denn seine Opfergabe, das heißt sein menschliches Fleisch, ist eben eine vom Volke ihm dargebotene und von ihm angenommene Gabe, aber eine Gabe, die als wahre und homogene und zugleich höchste Frucht des Volkes dieses selbst in lebendiger Wirklichkeit repräsentiert.“[3]
Nicht das Brot als solches, sondern der Leib Christi, ist – und dies ist jedoch entscheidend – die eigentliche Opfergabe:
„Aber dieser Leib wird erst dadurch eigentlich Opfer der Kirche, daß die Kirche ihn aus sich selbst durch die Wandlung des Brotes in ihn Gott entgegenbringt und durch dieselbe Wandlung die Hingabe ihrer selbst an Gott verpfändet und darstellt. Und wenn diese Opfergabe nicht bloß einfach Gott offeriert und mit Beziehung auf eine bereits geschehene Opferhandlung dargestellt, sondern durch eine neue, wirkliche Opferhandlung offeriert werden soll, so muß als solche die Wandlung einer andern Gabe in diese herbeigezogen werden.“[4]
Gerade das, was natürlicherweise „ein Leib mit uns“ (durch Alimentation) werden kann – das Brot –, wird durch die Wandlung zum Leib Christi.[5] An dieser Stelle wirkt sich nun die These Scheebens, dass die sich im Opfer vollziehende Wandlung eine conversio in melius sei, aus: „Da die Opferhandlung hier in einer Immutation liegt, wodurch das Niedere in ein Höheres übergeht, so hat sie in ihrem Wesen mehr Analogie mit der Vollziehung der hypostatischen Union und der Auferstehung des Leibes Christi als mit der Immolation desselben am Kreuz.“[6]
Bei der Transsubstantiation geht es nicht darum, dass die Gaben vernichtet werden; sie gehen in eine pneumatische Seinsweise über. Es ist der Heilige Geist als calor verbi, als Verwandlungskraft, die schon bei der Inkarnation präsent ist, durch den die Wandlung des Brotes und zugleich damit auch die Wandlung der anwesenden Gläubigen, die dem durch Kreuz und Tod in seine Herrlichkeit hindurchgegangen Christus verähnlicht werden, zustande kommt. Diese Verwandlung, die auf ontologischer Ebene liegt, führt zu einer tieferen Inkorporation der Gläubigen als Glieder Christi in dessen Leib und zur Teilnahme an dessen Opfer: Nur wenn das Feuer des Heiligen Geistes im innersten Wesen der Elemente wirkt, ist eine wahre Einverleibung der vielen in Christus möglich, so wie sich Christus, indem er in die Kommunizierenden eingeht, aus ihnen einen Leib bildet. Transsubstantiation und Opfer (sacrificium) als immutatio sind unmittelbar mit der wirksamen Inkorporation verbunden, durch die Gottes Mitteilungswille an sein Ziel kommt.
Vollkommene Einverleibung (Inkorporation) in Christus
Die eucharistische Inkorporation in Christus liegt in der Verlängerung der Inkarnation und korrespondiert mit der transsubstantiatio[7] – nicht nur als Verwandlung des Brotes, sondern als „Einschmelzung“ der Gläubigen in Christus, der „uns in sich hineinpflanzen, uns in sich selbst Wurzel schlagen lassen“ will, „wie er bei der Inkarnation in unserem Geschlecht Wurzel geschlagen; und das tut er gerade dadurch, daß er die Nahrung unseres Leibes in seinen Leib wandelt, um in ihr und durch sie unsern Leib selbst als einen Rebzweig in sich als den Weinstock aufzunehmen“.[8]
Hier findet auch die nächste Sinnbestimmung dieser Mysterien ihre Erfüllung: nämlich, Christus und seinen (mystischen) Leib, jene, die in ihm sind, zu dem einen Opfer zu vereinigen, in dem Gott seine höchste Verherrlichung findet.
So dient also die Transsubstantiation nicht einfach als Mittel, um die sakramentale Realpräsenz Christi herbeizuführen, so dass die Gläubigen ihn in der Kommunion empfangen können. Vielmehr zielt sie auf die höchste Form der Kommunikation mit Christus und die Teilnahme der Kirche an seinem Opfer. Sein Opferakt führt zum Darbringungsakt der Kirche, die zugleich voll und ganz in ihn inkorporiert wird.[9]
Um dies zu versehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass nicht Destruktion, sondern Transfiguration das Wesen des Opfers ausmacht:
„Die Umwandlung unserer geistigen Substanz ist zwar keine solche, daß diese selbst ihr wesenhaftes Seins verlöre; es ist keine Vernichtung, sondern eine Verklärung derselben, eine Transformation derselben von Klarheit zu Klarheit [2 Kor 3,18]. […] Sie findet also auch ein entsprechendes Ideal in jener Verwandlung, durch welche die Substanz des Brotes mit der Vernichtung ihres eigenen Wesens in die unendlich höhere und vollkommenere Substanz des Leibes Christi übergeht.“[10]
Aus diesem Grunde hat die Transsubstantiation zunächst mit der Aktualpräsenz Christi, der durch sein Kreuz zur Auferstehung und Verherrlichung hindurchgeht, zu tun. Und so gibt es eine Analogie zwischen diesem entscheidenden Moment der Eucharistie und der Hypostatischen Union wie der Auferstehung.[11]
Die Kirche, die mit Christus vereint und ihm als ihrem Haupt eingegliedert ist, kann mit ihm zu einer lebendigen Opfergabe werden; sie wird wirklich mit ihm mitgeopfert.
„Denn wie das Brot real in den Opferleib Christi übergeht, so sollen auch wir nicht zwar durch substantielle Verwandlung, aber doch durch substantielle Vereinigung mit Christus sein Opferleben und seinen Opfertod in uns nachbilden.“[12]
Nachdem die Bedeutung der Inkorporation der Glieder der Kirche in Christus im Zusammenhang mit der Teilnahme an seinem Opfer hervorgehoben wurde, soll nun folgende Frage aufgegriffen werden; nämlich: Wie kann die Kirche bei der Eucharistie eine Darbringung vollziehen, die ihre eigene ist? Man könnte für die Lösung dieses Problems in die folgende Richtung weisen:
Die Eucharistie ist ein Opfer der Kirche. Dabei ist jedoch im Auge zu behalten, dass sie in einer leiblichen (substantiellen) Einheit mit Christus steht. Wenn man die oblatio der Kirche auf diese Weise konzipiert, dann kann diese kein zweites, selbstständiges, von Christus unabhängiges Opfersubjekt sein. Trotzdem aber kann sie in das Opfer Christi, mit dem sie eine solche leibliche Einheit (wie zwischen den Gliedern und dem Haupt ihres Leibes) bildet, eingehen. Freilich kann dies nur so geschehen, dass der idem offerens[13] des Konzils von Trient nichts von seiner personalen Bestimmtheit verliert.
Der eigentliche Opferakt, der von den Gliedern der Kirche (mit)vollzogen wird – konstitutiv ist dabei der in persona Christi handelnde Priester –, kann nur darin bestehen, sich in die Selbsthingabe Christi an den Vater unter dem Antrieb des Heiligen Geistes einzufügen zu lassen.
In der Eucharistie verbindet Christus die teilnehmenden Glieder seiner Kirche so mit sich selbst, dass sie in das eine vollkommene Opfer eingehen und so – mit ihm und in ihm – eine lebendige Opfergabe werden, die der Verherrlichung des Vaters dient.
27. Juni 2025
Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu
Prof. Dr. habil. Michael Stickelbroeck
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[1] M. J Scheeben, Die Mysterien des Christentums, hrsg. von J. Höfer, Freiburg 21951, § 71, 407.
[2] Vgl. M. J. Scheeben, Studien über den Messkanon II § 1 (hrsg. und kommentiert von Michael Stickelbroeck, Regensburg 2011), 88.
[3] M. J. Scheeben, Dogmatik, V / 4 (Erlösungslehre), hrsg. von C. Feckes, Freiburg 21954, nr. 1482.
[4] M. J. Scheeben, Die Mysterien, § 72, 420.
[5] Vgl. ebd.: „und nur dann bringt die Kirche sich selbst in dem Leibe Christi Gott dar, wenn sie das Brot, welches als das edelste Aliment ihrer Glieder die Leiber derselben repräsentiert, in den Leib Christi wandelt und durch diese Konsekration des Brotes ihre Glieder Gott hingibt und konsekriert.“
[6] Ebd., 421.
[7] Vgl. ebd., 412: „Demnach ist die Transsubstantiation ebenso – wenn nicht noch mehr – eine wesentliche Bedingung zur vollständigen Durchführung der erhabenen Idee unserer Inkorporation in Christus, wie die substantiale Gegenwart seines Leibes überhaupt.“
[8] Vgl. ebd., 413.
[9] Vgl. ebd., 415ff.
[10] Vgl. ebd., 414f.
[11] Vgl. ebd., 421.
[12] Ebd., 417.
[13] Vgl. DH 1743.