Ein mutiger Missionar und Rufer in der Wüste

Erzbischof DDr. Johannes Dyba
Foto: Erich Gutberlet / Bistum Fulda
– Alle Rechte vorbehalten –

In diesem Jahr, am 23. Juli 2020, jährt sich zum 20sten Mal der Todestag von Erzbischof DDr. Johannes Dyba. Es wurde in diesen Jahren einiges über seine Person publiziert. Diesen Gedenktag möchte ich nutzen, um über seine Person und seine geistige Silhouette nachzudenken. Dies kann uns helfen, ihn besser zu verstehen.

Klein und schlank von Gestalt, eloquent und polyglott, ungeduldig und reisefreudig, couragiert und offen gegen jedermann, war Johannes Dyba ein Bischof zum Anfassen und mit einem ungewöhnlichen Lebenslauf.[1]

Johannes Felix Nikolaus Dyba wurde am 15. September 1929 in Berlin-Pankow geboren[2] und am darauffolgenden Sonntag in der dortigen Pfarrkirche St. Georg auf den Namen Johannes des Täufers getauft. Er war das dritte von vier Kindern des Lehrerehepaares Felix und Johanna Dyba. Nach der Gymnasialzeit, die Johannes Dyba in Berlin und Heiligenstadt absolvierte, nahm er in Bamberg das Studium der Philosophie und der Rechtswissenschaft auf. Letzteres setzte er 1949 an der Duke-University (USA) fort.[3] Nachdem er 1952 an der Universität Heidelberg das erste juristische Staatsexamen abgelegt hatte, promovierte er dort 1954 mit einer Arbeit über das Thema „Der Einfluss des Krieges auf die völkerrechtlichen Verträge“.[4] Schon zuvor hatte er sich für den Weg zum Priestertum entschieden und 1953 seine theologische Studien in Bonn begonnen. Am 2. Februar 1959 empfing er die Priesterweihe durch Kardinal Frings im Kölner Dom. Seine ersten pastoralen Erfahrungen sammelte er als Kaplan in Köln-Junkersdorf und Wuppertal-Barmen, bevor er zum Studium des kanonischen Rechtes an der Lateran-Universität und zum Besuch der Päpstlichen Diplomatenakademie nach Rom beurlaubt wurde. Seine kirchenrechtlichen Studien schloss er 1962 mit der Promotion zum Doktor des kanonischen Rechts ab. Das Thema seiner Dissertation lautete „Die Gründe für die einseitige Aufhebung von internationalen Verträgen und Konkordaten“.[5]

Anschließend trat er in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls ein und war zunächst Mitarbeiter und dann Leiter der deutschen Abteilung des Päpstlichen Staatssekretariates. Nach seiner Ernennung zum Erzbischof am 25. August 1979 empfing er die Bischofsweihe durch Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli im Kölner Dom am 13. Oktober 1979. Dabei wählte er in Fortführung seines bisherigen priesterlichen Wirkens als Programm für seinen bischöflichen Dienst ein Wort aus dem ersten Johannesbrief: „Filii Dei sumus – Kinder Gottes sind wir.“[6]
Anschließend vertrat er den Heiligen Stuhl in verschiedenen Ländern Westafrikas, und zwar als Apostolischer Pronuntius in Liberia und Gambia und als Apostolischer Delegat für Guinea und Sierra Leone.

Nach über 20-jähriger Tätigkeit im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls wurde er am 4. Juni 1983 zum Bischof von Fulda ernannt und am 4. September desselben Jahres in sein Amt eingeführt. Seit dem 30. November 1990 bekleidete er auch das Amt des katholischen Militärbischofs für die deutsche Bundeswehr[7] und wurde im Januar 1991 von Papst Johannes Paul II. in den Rat des Zentralbüros der Militärordinariate in Rom berufen.

Sein bischöfliches Wirken war gekennzeichnet vom leidenschaftlichen Einsatz für die Unverfälschtheit des Glaubens und einer großen Liebe zur Kirche. Darin war der heilige Bonifatius sein großes Vorbild. Entsprechend seinem Wahlspruch versuchte er, die Freude über unsere Berufung zur Gotteskindschaft zu wecken und zu stärken. Der Herr rief seinen treuen Diener aus seinem apostolischen Wirken heim am 23. Juli des Heiligen Jahres 2000.

Sehr schwer fiel der Nachruf auf eine Priester- und Bischofspersönlichkeit, deren Kraft noch für viele Lebensjahre zu reichen schien. Der jähe Tod von Erzbischof DDr. Johannes Dyba riss eine schmerzliche Lücke in der Diözese Fulda und weit darüber hinaus. Seine markante Stimme sollte dem deutschen Katholizismus fehlen. Sicherlich würden ihn auch diejenigen vermissen, die manchmal Probleme mit Äußerungen des streitbaren Kirchenmannes hatten. Er war ein moderner Missionar mit Charisma und Kanten.

Erzbischof Dyba, der 17 Jahre Diözesan-Oberhirte von Fulda war, ließ niemanden unberührt. Viele schätzten seine Kommunikationsfreude und seinen Humor. Eine der Stärken Dybas war ohne Zweifel auch seine Fähigkeit, seinen Zeitgenossen durch klare Positionen Orientierung anzubieten.

Seine Prinzipientreue imponierte auch Gegnern

Er war ein Mensch mit Standpunkt und machte keinen Hehl daraus. Das imponierte vielen, auch wenn sie seine Meinung nicht immer teilten. Freilich schieden sich an Erzbischof Dyba die Geister: Den zahlreichen erklärten Dyba-Fans, die sich nicht zuletzt an seinen prägnanten Formulierungen freuten, standen diejenigen gegenüber, die sich an manchen seiner Aussagen bis zur Empörung rieben.

Zur singulären Bischofsgestalt im deutschen Episkopat wurde Dyba, als er an St. Michael, am 29. September 1993, den Ausstieg aus der Einbindung in das staatliche Abtreibungssystem erklärte, die Ausstellung kirchlicher Tötungslizenzen im Bistum Fulda unterband[8] und statt dessen ein diözesanes Beratungs- und Hilfsnetz für schwangere Frauen in Notlagen aufbaute, das eine ihn selbst überraschende positive Resonanz bei den Betroffenen fand. Wie keine andere Entscheidung, die auch innerkirchlich angefeindet wurde, offenbarte Dybas Alleingang die Spaltung der Bischofskonferenz in der Frage des Lebensschutzes, die erst nach sechsjährigem Streit, der die Glaubwürdigkeit der Kirche nachhaltig beschädigte, durch päpstliches Eingreifen ganz im Sinne Dybas entschieden wurde, ohne dann allerdings vollends zur Ruhe zu kommen. Auch auf anderen gesellschaftlichen Konfliktfeldern, etwa der rechtlichen Privilegierung homosexueller Beziehungen, scheute Dyba vor deutlichen Stellungnahmen nicht zurück und musste dafür nicht nur Hohn und Spott, sondern auch tätliche Angriffe hinnehmen. Am 8. November 1991 wurde er in Marburg durch Straßen gejagt, getreten, geschlagen und bespuckt.[9]

Vielfach ein „einsamer Rufer in der Wüste“

Noch schmerzlicher als solche körperlichen Angriffe mag Dyba die mangelnde Solidarität etlicher Bischofskollegen empfunden haben, die viele seine Ansichten teilten, aber dann doch nicht den Mut fanden, für ihre Überzeugung in der Öffentlichkeit einzustehen. Solche gelegentliche – aus der Warte des einsamen Rufers in der Wüste geäußerte – Enttäuschung vermochte aber seinen Elan nicht zu lähmen.

Erzbischof Dyba nahm ablehnende Reaktionen in Kauf. Dass die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags in der Welt nicht auf Beifall schielen darf, hatte der Fuldaer Bischof zutiefst verinnerlicht. Ihm war es sehr ernst mit dem bonifatianischen Geist, den Dyba sich gerade im Heiligen Jahr 2000 (nun seinem Todesjahr) für die katholische Kirche wünschte. Am Apostel der Deutschen, der in Fulda begraben liegt, hat Dyba für sich Maß genommen. Dies wurde gerade auch bei seinem letzten Bonifatiusfest deutlich, dass der Erzbischof unter das Motto gestellt hatte „Glauben erneuern – Treue bekennen – Segen empfangen“.[10] Die während dieses großen Bistumsfestes sichtbare Aufbruchstimmung war ganz nach dem Herzen von Erzbischof Dyba. In völligem Einklang mit Papst Johannes Paul II. war er durchdrungen von missionarischem Eifer, denn seiner Meinung nach hat das wieder vereinigte Deutschland eine Neuevangelisation bitter nötig. So sah sich der Erzbischof als moderner Missionar, der andere ermutigen wollte und ermutigte, ihre Treue zu Gott und zur Kirche zu bekennen. Das nach seinem Tod im Juni 2001 erstmals in Fulda veranstaltete Glaubensfest des Forums Deutscher Katholiken wird auf seine Anregung zurückgeführt.

Als Bischof von Fulda führte Dyba einen leidenschaftlichen Kampf für die Unverfälschtheit des Glaubens, für die moralischen Grundsätze der Kirche und für die Anerkennung der kirchlichen Autorität. Möglichst vielen Menschen wollte er die Freude der Kinder Gottes in der Kirche und in der Einheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus, dem Papst in Rom, nahebringen: bei Firmreisen, Wallfahrten, bei der zentralen Bonifatiusfeier in Fulda und den anderen kirchlichen Festen und Jubiläen. Geistige Orientierung, Halt im Glauben und materielle Hilfen wollte er gerade den vielfach angefochtenen Familien, Müttern und Hausfrauen geben. Ein wichtiges Anliegen war dem verstorbenen Erzbischof die Förderung des Priesternachwuchses. Er setzte ein vielbeachtetes Signal, als er den Priestern wieder den Vorrang in der Seelsorge vor den hauptamtlichen Laientheologen einräumte.

Ein aufmerksamer Gesprächspartner

Bei aller Unbeugsamkeit in Fragen des Glaubens und der Moral war er ein geschätzter Gesprächspartner, ein aufmerksamer Gastgeber und ein humorvoller Unterhalter. Die Präsenz in den Medien sah er als Herausforderung für sich und als Dienst für die Kirche. Dyba hatte es teilweise schwer mit den Medien, und vice versa hatten sie es nicht leicht mit ihm.[11] Deutlich und kritisch soll angemerkt werden, dass der Erzbischof auf dem Bildschirm oft unfair behandelt wurde. Die Medien benutzten Dyba, und er benutzte sie. Offensiv vertrat er seine Haltung und lebte den Glauben, den er verkündete. Er konnte zur rechten Zeit fröhlich und ernst sein, akzeptierte die Existenz der Medien – ob das gedruckte, gesprochene oder mit Bildern unterlegte Wort -, auch wenn sie ihm manchmal aus nachvollziehbarem Grund ein Dorn im Auge waren.

Der plötzliche Tod des Fuldaer Erzbischofs am 23. Juli 2000 hat viele Menschen im Bistum und weit darüber hinaus betroffen gemacht. Die hohe Wertschätzung, die Dyba genoss, zeigte sich vor allem an der großen Anteilnahme der Bevölkerung an seinem Tod. Tausende von Menschen warteten am Dienstag (25. Juli) geduldig, um an dem in der Michaelskirche aufgebahrten Sarg Abschied von ihrem Bischof zu nehmen. Auch dass über 10.000 Menschen zu den Trauerfeierlichkeiten am Freitag (28. Juli) gekommen waren, belegt, wie sehr ihnen das Ableben des Bischofs zu Herzen gegangen ist. Der Tod von Erzbischof Dyba war über Fulda und das Bistum hinaus auch ein bundesweites Medienereignis. Über 40 Bischöfe aus dem In- und Ausland haben Erzbischof Johannes Dyba die letzte Ehre erwiesen. Zum Requiem für den verstorbenen Oberhirten des Bistums Fulda fanden sich auch Repräsentanten anderer christlicher Konfessionen sowie Vertreter des öffentlichen Lebens in der Fuldaer Kathedralkirche ein. Nach dem Requiem fand in der Johanneskapelle die Beisetzung statt. Als der Sarg mit den sterblichen Überresten Dybas aus dem Blickfeld der Gläubigen fortgetragen wurde, war die Intensität des Abschieds vom Erzbischof erst in ihrem ganzen Umfang zu spüren. Gerade beim Sanctus von Schubert, gespielt von Kindern aus der Verwandtschaft, mussten viele weinen, und auch Geistliche schämten sich ihrer Tränen nicht.[12] Eins ist sicher: Viele Mitglieder der Bistumsfamilie würden ihren verstorbenen Oberhirten sehr vermissen. Die Menschen im Bistum Fulda konnten auf vielfältige Weise von ihrem Bischof Abschied nehmen und seiner gedenken. Aber nichts würde ihn mehr freuen, als wenn sie die Worte achten, für die er so gekämpft hat.

Johannes-Dyba-Allee in Fulda

Die Stadtverwaltung von Fulda beschloss einige Wochen nach den Begräbnisfeierlichkeiten zum Beweis ihrer Dankbarkeit und Anerkennung für den Verstorbenen die Umbenennung der Fuldaer Kastanienallee in Johannes-Dyba-Allee.[13] Diese Entscheidung wurde von den gläubigen Einwohnern der Stadt Fulda mit großer Freude aufgenommen. Durch diese Straße bewegt sich Jahr für Jahr die Fronleichnamsprozession.

Das Leben Erzbischofs DDr. Johannes Dyba war eine unaufhörliche Folge von Leid und Kampf mit dem Ziel, alle für Gott zu gewinnen und sie zu den christlichen Idealen zu führen. Beispielhaft verkörperte er den unermüdlichen Verkünder des Gotteswortes, den guten und klugen Hirten, den Verteidiger des menschlichen Lebens vom Anfang bis zu dessen Ende. Für viele, die ihn kannten, war Erzbischof Johannes Dyba ein wahrhaftiger Mensch, der bereit wa, für die Wahrheit einzustehen. Sein Naturell war von der Fröhlichkeit geprägt. Er hielt sich gerne unter den Menschen auf, sowie die Menschen seine Nähe suchten. Sein Leben war geprägt aus dem Glauben, der für ihn der Maßstab seines Wirkens war. Die Verehrung der Gottesmutter Maria war ihm während seines ganzen Lebens sehr wichtig. Die, die in seiner Nähe waren, wissen zu berichten, dass er stets einen Rosenkranz bei sich trug und betete. Er war seinem Bistum ein guter und mutiger Bischof. Und noch heute besuchen viele sein Grab um dort zu beten in der Hoffnung, dass in absehbarer Zeit sein Seligsprechungsprozess eingeleitet wird.

Viele halten ihn der Ehre der Altäre für würdig – wegen seiner heroischen Nächstenliebe, insbesondere wegen seines Dienstes an den Armen und Kranken. All das speiste sich aus übernatürlichen Motiven. Verehrung genießt er auch dafür, dass er – ähnlich wie der heilige Papst Johannes Paul II. – sich so für die Rechte der ungeborenen Kinder einsetzte. Niemals hat jemand vor ihm so viel für jene getan, die sich nicht selber wehren können. Für viele war er eine mahnende Stimme innerhalb der katholischen Kirche. Wie schon gesagt: Er war ein überzeugender Missionar mit Charisma und Kanten, der andere ermutigen wollte und ermutigte, ihre Treue zu Gott und zur Kirche zu bekennen. Gerade im missionarischen Aufbruch der Kirche im 21. Jahrhundert kann er durch sein Leben und Wirken ein wertvoller Ratgeber und Begleiter sein – und das nicht nur in Deutschland.

Pfarrer Dr. Franz Weidemann


[1] G. Klein/M. Sinderhauf, Erzbischof Johannes Dyba – „Unverschämt katholisch“. Verlag F. Schmidt, Siegburg 2002, S. 24.
[2] Archiv des Erzbischöflichen Theologenkonvikts (Collegium Albertinum) in Bonn. Eigenhändig geschriebener Lebenslauf J. Dybas vom 9. Januar 1953.
[3] J. Dyba, Lebenslauf, geschrieben 1949 (Duke University Archives): As neither German Communists nor Russian police tolerated this activity I was arrested twice. At last, in July 1947, I had to leave the Soviet zone to avoid indefinite imprisonment.
[4] Diese Arbeit wurde 1954 in Heidelberg veröffentlicht (Diss. Iur. 1954, XIV, 102 BII).
[5] Diese Arbeit erschien 1962 im Verlag der Lateran-Universität.
[6] 1. Johannesbrief 3, 1. Vgl. auch: Joh 1,12f; 11, 52; Röm 8,14-17; Gal 3, 26; Eph 5, 1.
[7] KNA, Katholische Korrespondenz, Nr. 33, 17. August 1993.
[8] J. Dyba, Bescheinigungen werden nicht mehr ausgestellt, in: KNA, Nr. 15, 29. September 1993.
[9] P.-M. Schmidt, in: Kinder Gottes sind wir, a.a.O., S. 52.
[10] P.-M. Schmidt, in: Kinder Gottes sind wir, Predigt von Erzbischof Johannes Dyba am Bonifatiusfest (04.06.2000) auf dem Fuldaer Domplatz – Credo, Credo, Credo – S. 103.
[11] P.-M. Schmidt, in: Kinder Gottes sind wir, S. 59.
[12] Bonifatiusbote, Nr. 32, 6. August 2000, S. 15.
[13] M. Schwab, Diözesanadministrator Weihbischof Johannes Kapp und OB Dr. Alois Rhiel enthüllten Schild der neuen Johannes-Dyba-Allee, in: Mit Bonifatius verbunden – den Menschen zugetan, a.a.O., S. 65.