Corona-Krise – und was kommt danach?

SARS CoV-2
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Die Corona-Krise hat uns voll im Griff. Das soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kirchliche Leben ist radikal zurückgefahren. In der gesamten Kirchengeschichte ist noch nicht vorgekommen, was zur Zeit geschieht: dass bei den sonst öffentlichen Gottesdiensten die Gemeinden ausgesperrt werden müssen, selbst am Osterfest. Wie lange dieser Zustand andauert, wissen wir noch nicht. Dennoch ist es angebracht, sich schon jetzt darüber Gedanken zu machen, wie man vorgeht, wenn die Pandemie erlischt und nach und nach abflaut. Oder noch konkreter gefragt: Was machen wir in der Kirche, wenn keine Ansteckungsgefahr mehr besteht? „Auf den Knopf drücken“ und alles wieder laufen lassen wie vorher? Business as usual? Den Synodalen Weg weiterführen? Wir wollen ja frischen Wind in die Kirche bringen! Wir wollen Kirche „gestalten“! Wenn alles vorbei ist, starten wir wieder richtig durch!

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Ich habe eine „Vision“!

Wenn alles vorbei ist, lassen wir das kirchliche Leben weiter „auf Sparflamme brennen“, allerdings auf einem anderen Niveau und mit einer anderen Ausrichtung.

Selbstverständlich wird es dann wieder unserere öffentlich zugänglichen Gottesdienste geben, Heilige Messen, Taufen, Trauungen, Beerdigungsfeiern, Andachten und anderes – aber:

Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ein Jahr lang in allen Diözesen und Gemeinden, kirchlichen Gremien, Gruppen und Vereinen ein „Aktionsfasten“ ausgerufen würde.

Das heißt:

* Verzicht auf die Weiterführung des Synodalen Weges;

* Verzicht auf jeden Versuch, die Lehre der Kirche „anzupassen“;

* Verzicht auf jeden Versuch, Kirche zu „gestalten“;

* Verzicht auf neue Pläne und Seelsorgskonzepte;

* Verzicht auf jede Art von Kirchentagen, Aktionen, Festen und dergleichen;

* Verzicht auf alle Gremiensitzungen (in Diözese, Pastoralem Raum, Pfarrgemeinde);

* Verzicht auf Vereinstreffen, Vorstandssitzungen et cetera;

* und bei allen geplanten Veranstaltungen immer als erstes die Frage: Ist das nötig im Sinne des Aktionsfastens?

Diese Aufzählung ist nicht systematisch; sie kann angepasst oder auch erweitert werden.

Auf jeden Fall gilt: Alles, was nicht unbedingt notwendig ist, das heißt alles, was nicht unbedingt zu den drei Säulen kirchlichen Tuns gehört – und diese drei Säulen sind: Verkündigung, Sakramentenspendung und Caritas – unterbleibt und/oder wird auf Eis gelegt.

Dagegen setzen wir Folgendes:

* statt Sitzungen Gebet in der Kirche;

* statt Aktionen Anbetung;

* der Sonntag wird wirklich als „Tag des Herrn“ gefeiert;

* alle Kirchen stehen zum Gebet offen;

* wer an einer Kirche vorbeikommt, geht hinein zu einem kurzen Gebet;

* der Tag der Ewigen Anbetung in den Gemeinden wird wirklich gefeiert, nicht nur angedeutet;

* die Beichtstühle werden (wo nötig) entrümpelt; wer lange nicht zum Beichten war (2 Jahre und länger), empfängt das Bußsakrament;

* die Eltern der Erstkommunionkinder nehmen mit ihren Kindern am Sonntagsgottesdienst teil und treffen sich wöchentlich zu „Eltern beten für ihre Kinder“;

* alle Mitglieder der Gremien (in Gemeinde, Pastoralem Raum, Diözese) nehmen an der sonntäglichen Eucharistie teil; ebenso die Vorstände der kirchlichen Vereine; diese ermuntern nachdrücklich auch ihre Vereinsmitglieder dazu.

* einmal in der Woche stille/feierliche Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligsten;

* statt die Hl. Messe „zu gestalten“, feiern wir sie einfach nach den Vorgaben der Kirche, ganz in Lob und Dank an Gott.

* die Priester bereiten sich gründlich auf Liturgie und Predigt vor; der Montag ist nicht mehr liturgiefrei; die Priester (soweit sie gesund sind) bemühen sich, täglich zu zelebrieren.

Auch hier ist es möglich, die Aufzählung kreativ anzupassen oder zu erweitern.

Alles zusammengefasst heißt das: ein ganzes Jahr Verzicht auf Aktionismus und dafür volle Konzentration auf Gott bzw. Jesus Christus!

So erfüllen wir das Prophetenwort Jes.30,15, in dem der Prophet militärischen und politischen Aktionismus geißelt: „Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung; nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft.“

So, und nur so, können wir die aktuelle Kirchenkrise meistern.

Konzentration ganz auf Gott!

„Anbetung“ nennt man das!

„Unmöglich!“ werden jetzt viele sagen.

Warum? Wir könnten es doch mal versuchen!

Wie schildert uns denn die Apostelgeschichte die Entstehung der Kirche am Pfingstfest?

Die Apostel und Jünger versuchen sich nicht in Aktionismus, sie planen nichts für die künftige Kirche, sie gründen keine Sachausschüsse und Gremien, verfertigen keine Seelsorgskonzepte, geben sich keine Mühe, mit „frischem Wind“ in die Zukunft der Kirche zu starten, sondern warten betend auf den „frischen Wind“, der ihnen verheißen wurde, den Heiligen Geist. Und er wird ihnen geschenkt. Sie verlassen sich einfach auf die Zusage des Herrn, der versprochen hat, ihnen die Kraft von oben zu schicken (Lk.24,49). Daraus wurde die Kirche.

Machen wir es doch wie sie! Auf den Herrn vertrauen und uns ganz Ihm zuwenden.

Ihn in die Mitte stellen – besser: Ihm wieder den Platz in der Mitte zu überlassen, der Ihm gebührt – Ihm die Regie und die Führung zu überlassen – in Anbetung, Bitten, Lob und Dank.

Das haben wir vergessen; diesen Fehler müssen wir schnellstens korrigieren. Er ist der Herr der Kirche, nicht wir. Nicht wir „machen“ Kirche, sondern Er; wir sind nur seine Werkzeuge. Die Kirche ist eine Christokratie, keine Demokratie, in der alle Gewalt (angeblich) vom Volk ausgeht und Parteien mit ihren Programmen das gesellschaftliche Leben gestalten.

Ich bin mir ganz sicher: Wenn wir das ein Jahr lang fertigbrächten – Fasten durch Verzicht auf Aktionismus – dann würden wir frei, uns ganz dem Herrn zuzuwenden in Anbetung, Bitten, Lob und Dank. Und ich bin mir sicher: Der „frische Wind“ bliebe nicht aus. Jesus hat es so ausgedrückt: „Euch … muss es zuerst um sein (Gottes) Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt.6,33).

Gott Gott sein lassen, das Zentrum, die Mitte, ihn anbeten, ihn ehren! Das als Ziel und Schwerpunkt kirchlichen Tuns und aller Seelsorge – das wäre meiner Meinung nach die Lösung für die Krise der Kirche von heute.

Allerdings bin ich mir auch bewußt, daß meine Vision noch für einige Zeit eine Illusion bleiben wird. Zu mächtig ist die Lobby der Macher in der Kirche, derer, die unbedingt „frischen Wind“ in die Kirche bringen wollen. Jedenfalls steht eines für mich fest: Wenn wir nicht wieder zur Anbetung zurückfinden, dann werden die „frischen Winde“, die man in die Kirche bringen will, sich samt und sonders als Blähungen erweisen – und Blähungen sind ja bekanntlich zum Weglaufen.

Pfarrer Manfred Rauterkus