Die Schönheit der Messe aller Zeiten

Hl. Messe
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Die Hl. Messe in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus ist schön. Sie ist ein über die Jahrtausende gewordenes Kunstwerk. Ein Kunstwerk freilich, das nicht ins Museum gehört, sondern das gerade heute durch seine Schönheit zu uns Menschen spricht. Gott ist schön und diese Schönheit Gottes spiegelt die Messe aller Zeiten wider. Drei Stärken möchte ich in diesem Artikel herausstellen, in denen die Schönheit der Liturgie im überlieferten Ritus zum Ausdruck kommt: die Charakterbildung der Gläubigen, die gemeinsame Gebetsrichtung zu Christus und das Bekenntnis des Glaubens.

Bei meinen Überlegungen möchte ich von einer allgemeinen Erkenntnis aus der Ästhetik ausgehen, die Martin Mosebach schön hervorhebt, wenn er dem Ästheten die Gabe zuspricht, beim Betrachten der äußeren Gestalt einer Sache, eines Vorgangs, eines Gedankens, mit Sicherheit auch die innere Wahrheit des Angeschauten enthüllt zu bekommen (Mosebach, S. 23f.). Ein Beispiel für diese „innere Schau“ des Ästheten in Bezug auf den klassischen römischen Ritus fand ich bei jemandem, der für diese Liturgieform ganz unverdächtig scheint. So berichtet der Japan-Missionar Enomiya-Lassalle von japanischen Teelehrern, die mit Vorliebe in der Kapelle der katholischen Universität in Tokio der Heiligen Messe beiwohnten (Enomiya-Lassalle, S. 62). In der körperlichen Haltung des Priesters bei der Messe sieht der Jesuit Lassalle die Widerspiegelung der langjährigen asketischen jesuitischen Ausbildung. Sie sei es, auf die die japanischen Teemeister „innerlich“ schauen würden. Er übersieht dabei leider die liturgische Dimension, den spirituellen Zusammenhang von Liturgie und Aszetik.

Die erste Stärke, die uns die außerordentliche Form des Römischen Ritus schenkt, ist die Kraft der Form. Hier ist nicht nur der äußerliche Ritus als ästhetisches Symbol gemeint, sondern auch die Kraft, die die rituelle und symbolische Form der Hl. Messe auf die Seele eines Menschen, insbesondere auf die Seele des Priesters ausübt. Denn das Hineinwachsen des Menschen in Christus geschieht vor allem durch die Eucharistie. Sie ist das Sakrament des Wachstums in Christus (Jürgensmeier, 237ff.), das Leben der Seele. Der alte Ritus bringt in seiner Liturgie die Schönheit Gottes und die Charakterbildung des Menschen durch die Kraft seiner rituellen Vollzüge in einen inneren Zusammenhang. Das haben nicht nur japanische Teemeister vor dem 2. Weltkrieg erfahren können, das können suchende Menschen auch heute noch in der Messe aller Zeiten entdecken.

Eine weitere Stärke der überlieferten Messe bezieht sich auf die Mitte der liturgischen Feier, die immer Christus ist. Auf ihn ist in der Messe alles ausgerichtet. Nicht ein gemeinsames Tun der Gläubigen ist entscheidend, sondern das Tun Christi, bei dem ich dabei sein darf! Nicht meine Leistung zählt, sondern mein Dasein vor Christus ist das Ausschlaggebende. Die wahre Bedeutung kommt nicht dem Tun zu, sondern dem Sein. Es ist daher auch nicht wichtig, welcher Priester die Messe liest. Sie ist ja auch nicht seine Leistung! Diese innere Haltung kommt im äußeren Vollzug der Liturgie insbesondere durch die Gebets- und Zelebrationsrichtung zum Ausdruck. Daher ist eine weitere Stärke der Messe im klassischen Ritus die Zelebationsrichtung. Der Priester steht gemeinsam mit allen anderen Gläubigen in der selben Richtung und blickt auf Christus.
Der ästhetische Zugang zur Liturgie als Dasein vor Christus wird für die Alte Messe von Martin Mosebach allerdings  zu idealistisch interpretiert, wenn er annimmt, es bräuchte für sie keine Art der Liturgischen Präsenz (Thomas Kabel) oder eine Ars celebrandi (Michael Kunzler). Nach Mosebach sei die Liturgie nämlich tot, wenn es zu ihrem Vollzug eines frommen und guten Priesters bedürfe. (Mosebach, S. 26) Hier übersieht nun Martin Mosebach die spirituelle Bedeutung, die die Aszetik für den Priester bei Feier der Hl. Messe hat. Dass es den frommen und guten Priester auch für die Feier der Alten Messe braucht, spricht dagegen der Hl. Alphons von Liguori in seinen Schriften deutlich an. Er beklagt die von Langeweile und Desinteresse geprägte Haltung der Geistlichen beim Lesen der Messe. Ihnen sei es am Wichtigsten, möglichst schnell mit der Messe fertig zu werden, und darum würden sie die liturgischen Texte einfach oberflächlich herunter beten. (Alphons von Liguori, S.19 ff.) Dabei geht der heilige Bischof bei seinen Ermahnungen immer wieder vom Inhalt des christlichen Glaubens aus, um den Priestern deutlich zu machen, dass sie den Schatz dieses Glaubens eben besonders in der Messe finden können.

Eine andere Stärke kommt daher der überlieferten Messe in Bezug auf den Inhalt unseres Glaubens zu. Dieser wird durch die Feier der Hl. Messe versinnbildlicht. Sie ist gebetetes Dogma! Der Inhalt unseres Glaubens wird in der Messe aller Zeiten durch die rituelle äußere Form nicht nur zum Ausdruck gebracht, er wird durch diese Form auch am besten vor „der Verdunstung des Glaubens“ (Hl. Johannes-Paul II.) geschützt. Der klassische Messritus birgt in sich das Sakrale (Michael Fiedrowicz, S.214 ff.). Das Geheimnis unseres Glaubens, die Realpräsenz, das Messopfer und die Kommunion geschehen geschützt durch eine sakrale Atmosphäre. In modernen Liturgien erleben die Gläubigen oft Gottesdienste ohne Ausstrahlung, denn sie sind ihrer Mitte, ihres Kerns beraubt und wirken spirituell leer und banal.

Nur drei Stärken der außerordentlichen Form des Römischen Ritus habe ich kurz beschrieben. Es sind nicht die einzigen. Sie scheinen mir aber grundlegend zu sein. Für sie alle gilt: die Schönheit der äußeren Form lässt auf die Schönheit des  Inhalts schließen. Das gilt es zu verstehen und zu würdigen, wenn man an einer Hl. Messe im überlieferten Ritus der Katholischen Kirche teilnehmen will.

Pastor Knut Johanning

Literatur:
Enomiya-Lassalle, Hugo M.: Zen. Weg zur Erleuchtung, Hilfe zum Verständnis Einführung in die Meditation, Wien, Freiburg, Basel 1969, 2. verbesserte Auflage.
Fiedrowicz, Michael: Die überlieferte Messe, Geschichte, Gestalt und Theologie des klassischen römischen Ritus, Mühlheim/Mosel 2011, 1. Auflage.
Hugues, M. A. (Hrg.): Alphons Maria von Liguori, Vademecum für fromme Priester, Regensburg 1847.
Jürgensmeier, Friederich: Der mystische Leib Christi als Grundprinzip der Aszetik, Aufbau des religiösen Lebens aus dem Corpus Christi mysticum, Paderborn 1933.
Kabel, Thomas: Handbuch Liturgische Präsenz; Zur praktischen Inszenierung des Gottesdienstes, Band 1, Gütersloh 2003, 2. durchgesehene Auflage.
Kunzler, Michael: Liturge sein, Entwurf einer Ars celebrandi, Paderborn 2007.
Mosebach, Martin: Häresie der Formlosigkeit, Die römische Liturgie und ihr Feind, Wien und Leipzig 2003, 3. erweiterte Auflage.