Gott im Sakrament Seiner unendlichen Liebe anbeten

Foto: Unsplashed, Fr. Barry Braum

Es war der 22. Juni 1996.
Ein Tag, den man nicht vergisst.
Papst Johannes Paul II. zu Gast im Collegium Leoninum von Paderborn.
Am Morgen stand eine gemeinsame Gebetszeit mit den Priesteramtskandidaten auf dem Plan.
Welchen Eindruck und welche Botschaft würde jener Samstag für uns bereithalten?
Erwartungsvoll wurden wir zum Eingang der zur Kapelle umfunktionierten Aula geführt.
Als die Tür geöffnet wurde, ging unser Blick sofort nach ganz vorn.
Da war er – der Pontifex auf der Kniebank vor dem Tabernakel.
Völlig im Gebet versunken.
Vor dem Eucharistischen Heiland – wahrhaft gegenwärtig mit Leib und Blut, mit Seele und Gottheit.
Absolute Stille.
Wir verteilten uns und knieten. Sehr lange. Wie er.
Was haben wir gesehen?
Einen weißen Gebetsfelsen vor dem Herrn.
Einen Mystiker, vereint mit dem Göttlichen Bräutigam der Seele.
Einen treuen Hirten zu Füßen seines Meisters, dem die Kirche gehört.
Es war eine Erfahrung, die für immer bleibt.
Und eine Botschaft, die ins Herz ging.

Wir durften erleben, was der Heilige Vater später in seiner Enzyklika Ecclesia de Eucharistia zu Beginn des dritten Jahrtausends an die ganze Weltkirche schrieb:
„Ich möchte noch einmal an diese Wahrheit erinnern und mich mit euch […] in Anbetung vor dieses Mysterium begeben: das große Geheimnis, das Geheimnis der Barmherzigkeit. Was hätte Jesus noch mehr für uns tun können? In der Eucharistie zeigt er uns wirklich eine Liebe, ‚die bis zur Vollendung‘ (Joh 13,1) geht, eine Liebe, die kein Maß kennt“ (EdE 11).
Wir brauchen die Eucharistische Anbetung und leben von ihr.
„Deshalb ist der Blick der Kirche fortwährend auf den Herrn gerichtet, der gegenwärtig ist im Sakrament des Altares, in dem sie den vollkommenen Ausdruck seiner unendlichen Liebe entdeckt“ (EdE 1).
So sind wir auf den Knien vor dem Quell aller Gnaden – vor dem lebendigen Gott.

Daraus ergibt sich die Botschaft des Papstes an alle Gläubigen:
„Erlaubt mir, meine lieben Brüder und Schwestern, dass ich mein Zeugnis des Glaubens an die heiligste Eucharistie mit inniger Begeisterung ablege, um euch im Glauben zu begleiten und zu stärken.
‚Ave, verum corpus natum de Maria Virgine, vere passum, immolatum, in cruce pro homine!
Hier ist der Schatz der Kirche, das Herz der Welt, das Unterpfand des Ziels, nach dem sich jeder Mensch, und sei es auch unbewusst, sehnt. […]
Erlaubt mir, dass ich – wie Petrus am Ende der eucharistischen Rede im Johannesevangelium – im Namen der ganzen Kirche und im Namen eines jeden von euch zu Christus sage: ‚Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens‘ (Joh 6,68)“ (EdE 59).

Johannes Paul II. verweist darauf, dass der eucharistische Kult außerhalb der Heiligen Messe eng mit der Feier des eucharistischen Opfers verbunden und von unschätzbarem Wert für die Kirche ist (vgl. EdE 25). Und „es obliegt den Hirten, zur Pflege des eucharistischen Kultes zu ermutigen, auch durch ihr persönliches Zeugnis, insbesondere zur Aussetzung des Allerheiligsten sowie zum anbetenden Verweilen vor Christus, der unter den eucharistischen Gestalten gegenwärtig ist“ (ebd.).
Mit diesem Aufruf bezieht sich der Heilige Vater auf die Ausführungen des Rituale Romanum (De sacra communione et de cultu mysterii eucharistici extra Missam, 38–39).

Vor diesem Hintergrund schenkt er einen Einblick in die eigene Spiritualität, einen Schlüssel zum Geheimnis seines Pontifikates:
„Es ist schön, bei ihm zu verweilen und wie der Lieblingsjünger, der sich an seine Brust lehnte (vgl. Joh 13,25), von der unendlichen Liebe seines Herzens berührt zu werden. Wenn sich das Christentum in unserer Zeit vor allem durch die ‚Kunst des Gebetes‘ auszeichnen soll, wie könnte man dann nicht ein erneuertes Verlangen spüren, lange im geistlichen Zwiegespräch, in stiller Anbetung, in einer Haltung der Liebe bei Christus zu verweilen, der im Allerheiligsten gegenwärtig ist? Wie oft, meine lieben Brüder und Schwestern, habe ich diese Erfahrung gemacht, und daraus Kraft, Trost und Stärkung geschöpft!“ (EdE 25).

Wir brauchen „die verwandelnde Kraft, die der Eucharistie innewohnt“ (EdE 62).
Das ergibt sich deutlich aus der Heiligen Schrift. Genauer gesagt aus dem Bild vom Weinstock und den Reben (vgl. Joh,15,1–17).
„Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5), spricht der Herr.
Es geht beim Dienst im Weinberg Gottes nicht um unsere Programme, Visionen und Debatten.
Es ist Seine (!) Kirche.
Und wir sind unnütze Knechte.
Nur wenn wir in Christus, dem wahren Weinstock, bleiben, können wir Frucht bringen.
„In der Eucharistie haben wir Jesus, haben wir sein Erlösungsopfer, haben wir seine Auferstehung, haben wir die Gabe des Heiligen Geistes, haben wir die Anbetung, den Gehorsam und die Liebe zum Vater. Würden wir die Eucharistie vernachlässigen, wie könnten wir unserer Armut abhelfen?“ (EdE 60).

Das haben wir lernen dürfen an jenem 22. Juni 1996.
Wir haben einen Heiligen bei uns gehabt.
Einen Zeugen der heiligsten Eucharistie.
Und was er der ganzen Kirche vorgelebt hat, das wollen auch wir beherzigen, nachahmen und verkünden:
„Die Gegenwart Jesu im Tabernakel muss ein Anziehungspunkt für eine immer größere Anzahl von Seelen sein, die von Liebe zu ihm erfüllt sind und fähig sind, lange da zu bleiben, um seine Stimme zu hören und gleichsam seinen Herzschlag zu spüren. ‚Kostet und seht, wie gütig der Herr ist‘ (Ps 34,9)“ (Apostolisches Schreiben Mane nobiscum Domine, 18).

Ave verum Corpus natum
de Maria Virgine,
vere passum, immolatum
in cruce pro homine,
cuius latus perforatum
fluxit aqua et sanguine:
Esto nobis praegustatum
mortis in examine.
O Iesu dulcis!
O Iesu pie!
O Iesu fili Mariæ!

14. September 2022
Am Fest Kreuzerhöhung

Priesterkreis Communio veritatis