Jede (Erz-)Diözese in Deutschland hat – so nehme ich einmal an – eine eigene Kirchenzeitung. Der Bischof ist der Herausgeber; er nutzt das Blatt für Verkündigung und Informationen; darüber hinaus bietet die Zeitung auch Raum für Nachrichten und Beiträge aus Bistum und Weltkirche. In unserem Erzbistum Paderborn sieht das neuerdings etwas anders aus. Der Dom heißt jetzt im Untertitel Katholisches Magazin im Erzbistum Paderborn. Im Impressum liest man von einem „Herausgeberbeirat“, der aus drei Personen besteht, u.a. Herrn Msgr. Dr. Michael Bredeck, Leiter des Bereichs „Entwicklung und Kommunikation“ im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn. Inhaltlich bewegt sich Der Dom jetzt stramm auf Fortschrittskurs und betätigt sich u.a. als Sympathieträger für den „Synodalen Weg“ der Kirche in Deutschland und die Fraueninitiative „Maria 2.0“.
Überschrift über einen Beitrag in Der Dom, Nr. 29/25. Juli 2021:
„Austausch über drängende Themen“ – Frauen der Initiative ‚Maria 2.0‘ sprachen mit Erzbischof“
Die Damen, alle Vertreterinnen der Initiative „Maria 2.0“, freuten sich – so der Bericht – über Erzbischof Beckers Zustimmung zu der „Vision“ von Bischof Bätzing, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der im Interview gesagt habe, dass die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche nicht enden werde „an der Grenze des sakramentalen Amtes“. Auch stimmte der Erzbischof zu, „dass es um eine fundamentale Reform in der katholischen Kirche gehe, nicht um kosmetische Reparaturen“.
Da läuten bei mir die Alarmglocken! Fundamentale Reform! Heißt für mich: Es geht um die Fundamente! Um die Fundamente der Kirche und des katholischen Glaubens. Und unser Erzbischof stimmt zu, dass es an diese Fundamente geht? Reform – sozusagen mit Spitzhacke und Räumbagger? Da bleibt mir die Spucke weg, und ich kann hier nur mit allem Nachdruck betonen:
Diesen Weg, Herr Erzbischof, gehe ich nicht mit!
Natürlich kann man hier einwenden, dass meine Person das sowieso nicht aufhalten könne, und – bedingt durch mein Alter – sich das Problem bald biologisch lösen würde. Doch wenn ich sterbe, dann will ich in der Kirche – meiner Kirche – noch die Kirche erkennen, in die ich hineingetauft und gefirmt wurde, in der ich die Eucharistie empfangen habe, in der und für die ich als Priester geweiht und gesandt wurde. Eine Kirche nach den Vorstellungen von „Maria 2.0“ oder dem „Synodalen Weg“ werde ich niemals akzeptieren.
Und man soll sich nicht täuschen. Aus Erfahrung weiß ich, dass es gar nicht so wenige Priester sind, die sich meinem Protest anschließen würden, gerade auch bei der jüngeren und jungen Generation; sie wagen sich nur nicht aus der Deckung. Viele haben noch Angst – vor ihren Diözesanleitungen, vor ihren pfarrlichen Chefs und Mitbrüdern, vor den Gemeindegremien, aber auch vor ihren Gemeinden. Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. Mir ginge es, wenn ich noch im aktiven Dienst wäre, sehr wahrscheinlich nicht anders. Denn:
Ein Priester, der in seiner Gemeinde den Glauben gemäß dem Katechismus der Katholischen Kirche bekennt und verkündet, muss damit rechnen, gemobbt zu werden.
Ja, auch das Volk Gottes kann zum Mob werden! Die Bibel zeigt es an vielen Stellen und in zahlreichen Varianten. Und aktuelle Beispiele gibt es auch! Wir haben es kürzlich in Köln gesehen, als sich etwa 80 bis 100 Leute im Spalier aufstellten und Kardinal Woelki, der zum Gespräch mit der Gemeinde gekommen war, die „rote Karte“ zeigten und ihn sozusagen „Spießruten laufen“ ließen. Gab es da unter seinen bischöflichen Mitbrüdern jemand, der sich für ihn eingesetzt hätte? Meines Wissens keiner! Und musste man die Demütigung noch auf die Spitze treiben, indem man dem Kardinal eine Visitation an den Hals hängte?
Alle deutschen Bischöfe sollten sich über eines im Klaren sein:
Unsere priesterliche Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem Bischof endet dort, wo der Bischof in die Häresie abrutscht.
Und es gibt Bischöfe, die auf dem „schlechtesten“ Weg dorthin sind oder den Schritt in die Häresie bereits vollzogen haben.
Am Ende des Berichts in Der Dom betonte der Erzbischof, dass er „den Synodalen Weg als alternativlosen Schritt in die richtige Richtung“ betrachte. Die Damen von „Maria 2.0“ waren darüber so begeistert, dass sie erklärten, „sie würden diesen Weg weiterhin mir ihren kreativen Protestformen begleiten“.
Diese „kreativen Protestformen“ wollen wir hier etwas näher betrachten.
Vor einigen Monaten waren die Heinzelmännchen unterwegs … nein – Entschuldigung – die Heinzelfrauchen. Still und leise, manche in der Dunkelheit, wuselten sie um die Kirchen. Tags darauf sah man es: Die Kirchen und Kirchenportale waren mit Plakaten und Handzetteln „geschmückt“, auf denen die Damen von „Maria 2.0“ ihre Meinungen und Forderungen kundtaten.
Ich weiß nicht mehr, was alles auf den Plakaten geschrieben stand und gefordert wurde – nur an die erste und letzte Forderung erinnere ich mich. Natürlich wurde als Erstes die Zulassung von Frauen zum Priesteramt gefordert. Als Begründung diente das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Theologische Begründungen oder Argumente aus der Offenbarung? Keine Spur! Ist das Grundgesetz für die Damen die neue Offenbarung Gottes?
Der letzte Artikel ist mir besonders im Gedächtnis haften geblieben. Die Kirche wurde aufgefordert, in ihrer neuen Sexualmoral eine „achtsame selbstbestimmte Sexualität“ zuzulassen bzw. zu unterstützen. Nun, wenn ich Begriffe wie „selbstbestimmt“ oder „Selbstbestimmung“ höre oder lese, dann habe ich automatisch ein Bild vor Augen: Adam und Eva im Paradies, sie stehen unter dem Baum, von dem sie nicht essen dürfen, dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, am Stamm des Baumes und in den Ästen ringelt sich die Schlange. Und die Schlange zischelt nach Genesis 3,5: „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ Gut und Böse erkennen bedeutet, wie Gott zu werden, d.h. selbst bestimmen können, was gut und böse ist. Mit anderen Worten: selbstbestimmt leben, „selbstbestimmte Sexualität“! Das ist Kreativität vom Feinsten:
Die Damen von „Maria 2.0“ fallen auf die älteste Versuchung der Menschheit herein.
Selbstbestimmte Sexualität heißt Sexualität ohne Gott. „Da lasse ich mir nicht dreinreden, von niemandem, auch nicht von der Kirche, auch nicht von Gott!“ Auch die Beifügung „achtsam“ ändert daran nichts; denn der Begriff „achtsam“ ist wie ein Kaugummi, der sich dehnen lässt, so weit der Arm reicht.
Auf Selbstbestimmung pochen darf und muss der Christ gegenüber dem Staat, sonst wird dieser zu dreist und unverschämt, abgesehen von gesetzlichen Einschränkungen, die notwendig sind, um ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben zu ermöglichen. Doch Gott gegenüber liegen die Dinge etwas anders! Da bestimmt der Christ in freier Selbstbestimmung, dass er auf Selbstbestimmung (d.h. auf das Sein-wollen-wie-Gott) verzichtet; er unterstellt sich vorbehaltlos der Führung Gottes. Warum? Weil er glaubt und vertraut. Weil er darauf vertraut, dass sein Leben besser, ja überhaupt nur dann gelingen kann, wenn er sich der Führung Gottes anvertraut, der die Liebe ist. Er ist Geschöpf und weiß es; er ist sich dessen bewusst, dass er nie wie Gott sein kann, er will es auch nicht, und deshalb will er auch nicht selbst bestimmen, was gut und böse ist, sondern es Gott überlassen, damit er nicht einen Fehler, eine Dummheit nach der anderen macht und letztlich von der einen Katastrophe in die nächste rutscht. Denn das ist die Folge: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren.“
Als „Maria 2.0“ startete, begannen die Damen mit einem Kirchenstreik. Sie bestreikten nicht nur gewisse Dienste und Aufgaben, sondern teilweise auch die Sonntags-Eucharistie. Nun ist die Verweigerung mancher Dienste in den Gemeinden die eine Sache, eine ganz andere aber die Bestreikung der Eucharistie. Denn in der Eucharistie geht es um Christus selbst. Wer der Eucharistie bestreikt, bestreikt Jesus Christus. Wer aber Christus bestreikt, ist nicht mehr Christ, sondern Anti-Christ (= Gegen-Christ). Im 1. Johannesbrief 2,18ff. heißt es, dass viele Antichriste gekommen sind, und zwar „aus unserer Mitte“. Dort ist übrigens auch von dem Antichrist die Rede. Und bevor die Damen von „Maria 2.0“ zu weiteren „kreativen Protestaktionen“ schreiten, sollten sie eines bedenken:
Wie der Christus, so kann auch der Antichristus von sich sagen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“
25. August 2021
Pfarrer Manfred Rauterkus