Die Kapitulation der Bischöfe vor LGBTIQ+

Gastbeitrag von Gabriele Kuby

Es ist schön, Christ zu sein und durch die Kirche alles zu empfangen, was nötig ist, um den schmalen Weg zum ewigen Leben gehen zu können. Seit zweitausend Jahren wird der Weg beschritten und muss in jeder Zeit und Kultur neu gebahnt werden, um die von Gott geoffenbarte Wahrheit in „zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,8) durch die Zeit zu tragen. Das ist die zentrale Aufgabe des Papstes und der Bischöfe. Der Weg bleibt immer schmal, ein Weg in der Welt, aber nicht von ihr. Millionen haben lieber ihr Leben gegeben, als Christus zu verraten – bis auf den heutigen Tag.
Nun aber hat die Katholische Kirche in Deutschland das Kreuz Christi als Zentrum unseres Glaubens durch die Regenbogenflagge ersetzt. All jene, die als Priester oder gläubige Laien Jesus treu bleiben wollen, stehen jetzt in den meisten Diözesen vor der Wahl: Treue zur geoffenbarten Wahrheit oder Gehorsam gegenüber dem Bischof – eine teuflische Alternative.
In dem jahrzehntelangen Kampf um die Beseitigung aller moralischen Normen der Sexualität war die Katholische Kirche das Bollwerk, das am schwersten einzunehmen war. Sie wurde seit der bischöflichen Ablehnung der Enzyklika Humanae Vitae von 1968 sturmreif geschossen und liegt in Deutschland am Boden. Eine Kirche, die vom Skandal des sexuellen Missbrauchs geschüttelt wird, hat keine Kraft mehr zur Verteidigung der lebenswichtigen Frohen Botschaft. 2021 sind 359.000 Katholiken aus der Katholischen Kirche ausgetreten, 2022 waren es 522.000 (Un)gläubige. Die Kirche ist im freien Fall. Noch fließen die Kirchensteuern, um 800.000 Mitarbeiter zu bezahlen. Das entspricht ungefähr der Zahl derer, die überhaupt noch sonntags in die Kirche gehen. Schauen wir den Tatsachen ins Gesicht: Bald sind die Christen, die noch glauben und praktizieren, eine kleine Herde, für die es keine saftigen Weiden mehr geben wird.
Die moralischen Normen, welche der Sexualität den rechten Platz in der Schöpfungsordnung Gottes geben, sind von zentraler Bedeutung. Die frühen Christen haben sich von ihrem heidnischen Umfeld für jeden erkennbar durch ihre Sexualmoral unterschieden. Die Ehe, die Familie, das Leben des Kindes waren ihnen heilig. Der Angriff des letzten halben Jahrhunderts richtet sich genau darauf: die Zerstörung von Ehe und Familie und die massenhafte Opferung von Kindern vor der Geburt. Es ist ein Rückfall in die Barbarei des Heidentums.

Diese Entwicklung hat Joseph Ratzinger bereits 1958 vorausgesehen, als 90 Prozent der Bevölkerung noch Christen und die Kirchen noch voll waren. In seinem prophetischen Aufsatz „Die neuen Heiden und die Kirche“ sagte er:
„Das Erscheinungsbild der Kirche der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, dass sie auf eine ganz neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird: nicht wie einst, Kirche aus den Heiden, die zu Christen geworden sind, sondern Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen, aber in Wahrheit zu Heiden wurden.“[1]

Die Kirche hat einen prophetischen Dienst zu erfüllen. Wenn sie die ihr anvertraute Wahrheit beschneidet, um von der Welt nicht gehasst zu werden, dann verliert sie ihre Vollmacht. Das kleinlaute, feige, immer erneute Zurückweichen erlaubt es den Feinden Christi, das christliche Territorium Stück für Stück einzunehmen, bis schließlich das letzte Bollwerk gegen die sexuelle Revolution, die Katholische Kirche – in Deutschland – fällt.
Die sexuelle Revolution hat mit dem Durchbruch der Studentenrevolte von 1968 die gesamte westliche Welt erfasst und ist im Begriff, durch immer irrwitzigere Anschläge auf Vernunft und Natur die Grundlagen der menschlichen Existenz zu zerstören. Dies zeigt sich im Zerfall von Ehe und Familie, den Millionen von Abtreibungen, dem weltweiten Pornographiekonsum und dem allgegenwärtigen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Statt Kinder vor Sexualisierung und sexuellem Missbrauch zu schützen, werden sie bereits in Kindergärten und in der Schule zwangssexualisiert und in ihrer geschlechtlichen Identität destabilisiert.
Diese verhängnisvolle Entwicklung hat vor der Kirche nicht Halt gemacht.[2] Seit der Bekanntmachung von sexuellem Missbrauch im Canisius Kolleg in Berlin im Jahr 2010 kommen in Deutschland und in der Weltkirche immer wieder neue schockierende Fälle ans Licht.
Die Bischofskonferenz und einzelne Diözesen haben Untersuchungskommissionen eingesetzt, die den sexuellen Morast in der Kirche ans Tageslicht bringen. Mit der Behauptung, dies aufarbeiten zu wollen, wurde 2019 „Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland“ ins Leben gerufen.
In der Präambel des Synodalen Weges ist von „Umkehr“, „Erneuerung“, „Evangelisierung“, „Schuld offen bekennen“ die Rede. Es erweist sich aber, dass „Umkehr“ und „Erneuerung“ Worthülsen für die restlose Aufgabe der katholischen Lehre sind, nämlich:

· Die Auflösung des bischöflichen Amtsverständnisses und Teilung der Macht mit „Lai*innen“ (sic!)
· Frauenpriestertum
· Aufhebung des Zölibats
· Vollständige Aufhebung der katholischen Sexualmoral
· Segensfeiern „für Paare, die sich lieben“
· Befürwortung „geschlechtlicher Vielfalt“ (LGBTIQ+)

Von „Evangelisierung“ und dem „offenen Bekennen von Schuld“ zu reden, ist offensichtliche Heuchelei. Der alternative Satzungsentwurf mit dem Schwerpunkt Evangelisierung, den Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer im Juli 2019 einreichten, wurde abgelehnt.
Und „Schuld offen bekennen“? Man stelle sich vor, dieses Versprechen wäre tatsächlich eingelöst worden. Wie gern würden die Gläubigen für die Bischöfe beten im Wissen, dass der barmherzige Gott jedem verzeiht, der seine Sünden bereut und bekennt. Dann würde von Deutschland tatsächlich ein Impuls der Erneuerung der Kirche ausgehen. Sie muss gereinigt werden und sie wird gereinigt werden, damit die Mächte der Unterwelt sie nicht überwältigen.
Nein, Schuld sind in den Augen der großen Mehrheit der Synodalen nicht die Missbrauchstäter, Vertuscher und Mitglieder homosexueller Seilschaften, sondern, man höre und staune, die Sexuallehre der Kirche. Sie bildet „einen normativen Hintergrund, der solche Taten offensichtlich hat begünstigen können“. Wenn also die Sexuallehre der Kirche „offensichtlich“ die sexualisierte Gewalt begünstigt, dann folgt daraus, dass sie geändert werden muss, oder in der Formulierung der Synodalen, dass „die Notwendigkeit einer Veränderung der kirchlichen Lehre in Bezug auf Partner*innenschaft und Sexualität“ besteht.
Im Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ heißt es: „Wir verpflichten uns, jede*r in ihrer*seiner Verantwortung, unter Beachtung der Erkenntnisse der Humanwissenschaften und in Treue zur Botschaft Jesu von der Liebe Gottes zu allen Menschen für eine Veränderung der Lehre und der Praxis der Kirche im Umgang mit menschlicher Sexualität Sorge zu tragen.“
Zwar erhielt dieser Grundtext nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, aber er zeigt, wohin die Reise gehen soll. Wie das als „Treue zur Botschaft Jesu“ verstanden werden kann, bleibt ein Geheimnis derer, die diesen Papieren zugestimmt haben.

Ein naiver Geist würde sagen: Wenn die Sexuallehre der Kirche eingehalten worden wäre, dann gäbe es keinen sexuellen Missbrauch. Sex nur in der Ehe zwischen Mann und Frau. Um diesen geradlinigen Gedanken außer Kraft zu setzen, haben 208 Synodale drei Jahre lang getagt, Millionen Kirchensteuergelder verbrannt, gestritten, geweint, manipuliert, übertölpelt, geschwiegen und einer Flut schwindelerregender Papiere zugestimmt, welche die Kirche „erneuern“ sollen, sie aber in Wahrheit den Mächten dieser Welt vollständig ausliefern. Sie machen damit die Kirche überflüssig und führen die Gläubigen, denen die geistliche Heimat genommen wurde, in die Irre.
Was heißt das für die kleine Herde?
Dass die Hirten ihre Herde verlassen und den Wölfen ausliefern, ist nicht neu in der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Der Prophet Ezechiel muss in der babylonischen Gefangenschaft den Hirten ins Gewissen reden, weil sie sich selbst geweidet, das Fett der Schafe verzehrt, sich in ihre Wolle gekleidet, die Verletzten nicht verbunden, die Vertriebenen nicht zurückgeholt, das Verlorene nicht gesucht haben. „Darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn: Siehe, nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe aus ihrer Hand zurück.“

Aber dabei belässt es Gott nicht, er selbst kümmert sich um seine Schafe:
Siehe, ich selbst bin es, ich will nach meinen Schafen fragen und mich um sie kümmern. Wie ein Hirt sich um seine Herde kümmert an dem Tag, an dem er inmitten seiner Schafe ist, die sich verirrt haben, so werde ich mich um meine Schafe kümmern und ich werde sie retten aus all den Orten, wohin sie sich am Tag des Gewölks und des Wolkendunkels zerstreut haben (vgl. Ez 34,1–22).

Diese Zusage hat Gott verwirklicht, indem er selbst Mensch wurde und sein Leben hingab für seine Schafe.
Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe (Joh 10,14–15).

Das ist die Quelle unserer unzerstörbaren Hoffnung. Jesus sammelt heute seine Schafe. Wie frisches Grün unter morschem Holz entstehen überall neue christliche Initiativen, getragen von Menschen, die tatsächlich Jünger Jesu sind. Die kleine Herde kennt die Stimme Jesu, die durch treue, opferbereite Priester spricht. Im Internet finden sich unzählige Personen, Initiativen, Organisationen, Konferenzen, Kurse, Apps, Podcasts, Videos, Nachrichtenportale, die von Jüngern Jesu getragen werden. Es besteht kein Mangel an guter geistlicher Nahrung.
„In der Not wächst das Rettende auch“, sagt Hölderlin, und der heilige Paulus formuliert: „Wo jedoch die Sünde mächtig geworden ist, da ist die Gnade übergroß geworden“ (Röm 5,20). Wir leben in einer Zeit, in der die Verheißungen Christi wahr werden für jene, die bereit sind, sich dem Herrn ganz zu schenken, und sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen.

Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen (Joh 14,23).

Jetzt ist die Zeit da, in der das Wort Gottes neu seine Kraft entfaltet, um uns selbst und dadurch den Menschen, die in Verwirrung und Finsternis gefangen sind, ein Licht zu sein, das Hoffnung und Lebensmut gibt.
Wer hat in seinem Leben nicht erlebt, dass Krisen die Brutstätte von neuem Wachstum sind, von Größerem und Schönerem? Nach dem Karfreitag kommt die Auferstehung. Leben wir aus dem Glauben, dass dies für die globale Krise unserer Zeit gilt. Die Größe der gegenwärtigen Krise wird der Größe des Neuen entsprechen, das Gott vorbereitet. Bilden wir Gemeinschaften mit gläubigen Priestern. Wir brauchen sie, sie brauchen uns, und stärken wir uns gegenseitig in Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen.

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[1] Joseph Ratzinger, Die neuen Heiden und die Kirche, zuerst in der Zeitschrift „Hochland“ im Oktober 1958 veröffentlicht.
[2] Gabriele Kuby, Missbrauch, Euer Herz lasse sich nicht verwirren, fe-Medienverlag, Kißlegg 2018, mit einem Vorwort von Gerhard Kardinal Müller.

Hingewiesen sei auf das aktuelle Buch: Gabriele Kuby, Fürchte dich nicht du kleine Herde – wenn die Hirten mit den Wölfen tanzen, fe-medienverlag, Kißlegg 2023.