
In der ausgezeichneten Studie „Maria. Miterlöserin, Mittlerin, Fürsprecherin“ des renommierten Prof. Dr. Mark I. Miravalle, bekannt für seine Lehrtätigkeit an der Franciscan University of Steubenville und als Präsident der International Marian Association, hat Mario Luigi Cardinal Ciappi seinerzeit ein richtungsweisendes Vorwort geschrieben. Dieser war als Theologe des päpstlichen Hauses von Pius XII. bis Johannes Paul II. bestens vertraut mit der wissenschaftlichen Dimension der vorliegenden Thematik. Besonders ist zudem, dass er zuvor in Rom der zuständige Professor der Mariologie für den Studenten und Doktoranden Karol Wojtyla gewesen war. Cardinal Ciappi teilt in der theologischen Studie Miravalles 1993 ausdrücklich die Hoffnung des Autors: „Mit dem tiefgehenden Beitrag unseres gegenwärtigen Heiligen Vaters, Papst Johannes Paul II., zum Verständnis des Geheimnisses als Mittlerschaft Mariens mit Christus und der Kirche … steht nur noch eine letzte Handlung aus, die marianischen Aufgaben der Miterlöserin, Mittlerin und Fürsprecherin … zur völligen Anerkennung und ins kirchliche Leben des Gottesvolkes zu bringen: dass nämlich unser Heiliger Vater in seinem Amt als Vikar Christi auf Erden und geleitet vom Geist der Wahrheit die marianischen Aufgaben als Miterlöserin, Mittlerin aller Gnaden und Fürsprecherin des Gottesvolkes, als christliches Dogma von Gott geoffenbart, in rechter Verehrung der Mutter Jesu und für das Gut der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche Christi erkläre und verkünde.“[1]
Besondere Aufmerksamkeit erhielt später auch ein Bekenntnis Cardinal Ciappis, der als authentischer Zeuge der Botschaft von Fatima preisgab: „Im Dritten Geheimnis wird unter anderem vorausgesagt, dass die große Apostasie in der Kirche an der Spitze beginnen wird.“[2]
Für das Verbleiben im wahren katholischen Glauben ist es unverzichtbar, die erhabene Stellung der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria im Heilsplan zu verstehen und anzunehmen. Sie ist gepriesen als diejenige, welche „allein alle Häresien besiegt und vernichtet hat“[3].
Ihren Ursprung hat die Marienverehrung in der einzigartigen Auserwählung, mit der die Immaculata vom dreifaltigen Gott beschenkt ist. Der hl. Kirchenvater Augustinus sagt daher: „Wie vieles wir immer zum Lob Mariens vorbringen mögen, so ist doch alles gar wenig im Vergleich zu dem, was ihrer Würde als Mutter Gottes gebührt.“[4]
Und der hl. Kirchenlehrer Alfons Maria von Liguori betont, dass ihre Mittlerschaft für uns notwendig ist: „Diese Notwendigkeit wird uns übrigens von so großen Theologen und Kirchenvätern bekräftigt, dass es eine sehr ungeziemende Rede […] ist, zu sagen, sie haben, um Maria zu erheben, Übertreibungen gebraucht“; dazu verweist er auf die große Zahl der Heiligen, „welche, erleuchtet vom Geist Gottes, dem Geist der Wahrheit, geredet haben“.[5]
Der hl. Alfons Maria von Liguori stellt heraus, dass der Titel „Mittlerin aller Gnaden“ fest in der Tradition der Kirche verankert ist. Er erklärt, dass die Bezeichnung in keiner Weise der einen Mittlerschaft Christi zwischen Gott und den Menschen widerspricht, wie sie uns in der Heiligen Schrift überliefert ist: Diese ist „die Mittlerschaft aus Gerechtigkeit auf dem Weg des Verdienstes“, jene andere die „aus Gnade auf dem Weg der Fürsprache. Und wiederum ist es etwas anderes, zu sagen: Gott kann nicht, und etwas anderes: Gott will nicht ohne Mittlerschaft Mariens seine Gnaden erteilen.“[6] Obwohl die Immaculata ein Geschöpf ist, hätte der Allmächtige sie nicht höher erheben können, als er es getan hat. Daher hat der Höchste beschlossen, dass alle Gnaden, die uns aus den Verdiensten Jesu Christi geschenkt werden, durch die Vermittlung Mariens zu uns gelangen.
Sie ist ganz schön, so rein, voll der Gnade, damit sie diese als Mutter zu uns leite. Der hl. Bernhard von Clairvaux vergleicht sie daher mit einem Aquädukt, damit wir auf diesem Weg aus ihrer Fülle empfangen. Der Kirchenlehrer bekräftigt die universelle Gnadenvermittlung: Gott habe „die Fülle aller Güter in Maria niedergelegt […], auf dass wir inne werden, wie alles, was an Hoffnung, Gnade und Heil wir besitzen, von ihr in uns überfließt“[7] Der hl. Bernhard unterstreicht dabei deutlich die Ausschließlichkeit: Keine Gnade kommt vom Himmel zur Erde, die nicht durch die Hände Mariens ginge („Nulla gratia venit de coelo ad terram, nisi transeat per manus Mariae“)[8]
Der hl. Bonaventura bezeichnet Maria als Himmelspforte und spricht von der deren Notwendigkeit in der Heilsökonomie: Niemand kann in den Himmel eintreten außer durch Maria als der Pforte („Nullus potest coelum intrare, nisi per Mariam transeat tamquam per portam“).[9] Und der Kirchenlehrer bekräftigt: Niemals findet man Christus außer mit Maria und durch Maria („Numquam invenitur Christus, nisi cum Maria, nisi per Mariam“)[10]
Dazu stellt der hl. Bernhardin von Siena fest: „Von dem Augenblick, da die jungfräuliche Mutter in ihrem Schoß das Göttliche Wort empfing, hat sie eine gewisse geistliche Gewalt über alle Gaben, welche vom Heiligen Geist uns zukommen, erworben, in der Art, dass keine Kreatur von Gott eine Gnade je anders erlangt, als durch die Vermittlung dieser gütigen Mutter.“[11] Auch dieser Heilige betont also die universelle Dimension der Wirklichkeit, „dass alle Gaben, alle Tugenden und alle Gnadenhilfen durch die Hände Mariens ausgeteilt werden, an wen sie will, wann sie will und wie sie will“[12].
Viele Päpste haben zudem hervorgehoben, dass die allerseligste Jungfrau Maria wahre Miterlöserin ist. Aus dem reichen Schatz dieser Zeugnisse sei exemplarisch auf die folgenden hingewiesen. Sie beleuchten die Stellung der Immaculata als Coredemptrix mit Christus, Ihm zuinnerst verbunden in ihrer einzigartigen Mit-Wirkung im Heilsgeschehen.
Der hl. Papst Pius X. lehrt: „Dank der Einheit von Leiden und Absicht, die zwischen Christus und Maria besteht, verdiente sie es, höchst würdig, die Wiederherstellerin der verlorenen Welt zu werden […] Da sie aber alle an Heiligkeit und an Einheit mit Christus übertrifft, und weil sie von Christus dazu auserwählt worden ist, Seine Teilhaberin am Werk der Erlösung des Menschen zu sein, erwirbt sie für uns de congruo, wie gesagt wird, das, was Christus und de condigno erwirbt.“[13]
Diese Wahrheit finden wir bei Papst Benedikt XV. besonders klar entfaltet: „Die Tatsache, dass sie mit ihrem Sohne gekreuzigt und sterbend war, entsprach dem himmlischen Plan. Sie litt in einem solchen Ausmaß und starb geradezu mit ihrem leidenden und sterbenden Sohn; zu einem solchen Ausmaß lieferte sie ihre mütterlichen Rechte über ihren Sohn des Heiles der Menschen wegen aus und opferte ihn – insoweit sie es konnte –, um der Gerechtigkeit Gottes Genugtuung zu tun, so dass wir zurecht sagen können, dass sie das menschliche Geschlecht, zusammen mit Christus, erlöst hat.“[14]
Auf dieses wirkliche Mitleiden Mariens bezieht sich auch Papst Pius XI. und bezeichnet sie ebenfalls als wahre Miterlöserin: „O Mutter der Liebe und Barmherzigkeit, die du, als dein süßester Sohn die Erlösung des Menschengeschlechtes auf dem Altar der Erlösung vollzog, Ihm zunächst gestanden und mit Ihm als Miterlöserin gelitten hast […] bewahre in uns, wir flehen dich an, und steigere in uns, Tag für Tag, die kostbaren Früchte Seiner Erlösung und des Mitleidens Seiner Mutter.“[15]
Papst Pius XII. hebt die innige Einheit Mariens mit ihrem Sohn hervor, als neue Eva dem neuen Adam beim Heilsgeschehen zur Seite gestellt: „Denn da sie als Mutter und als Mitwirkende mit dem König der Märtyrer verbunden worden ist im unsagbaren Werk der menschlichen Erlösung, verbleibt sie für immer mit Ihm verbunden, in einer fast grenzenlosen Macht, in der Spendung der Gnaden, die aus der Erlösung fließen.“[16]
Der hl. Papst Johannes Paul II. stellt heraus: „Am Fuß des Kreuzes nahm Maria durch den Glauben teil an dem erschütternden Geheimnis dieser Entäußerung. Dies ist vielleicht die tiefste ‚Kenosis‘ (Entäußerung) des Glaubens in der Geschichte des Menschen: Durch den Glauben nimmt Maria teil am Tod des Sohnes – an seinem Erlösertod.“[17] Und an anderer Stelle lehrt der Pontifex: „Mariens Aufgabe als Miterlöserin endete daher nicht mit der Verherrlichung ihres Sohnes.“[18]
In diesem Licht bedeutsamer Quellen erhalten alle Menschen guten Willens die authentische Antwort auf die gegenwärtig entfachte Kontroverse um die wahre Mariologie.
Die Zeugnisse der zahlreichen Heiligen und Päpste der Kirche Gottes zeigen, wie das jüngste Scriptum aus dem Vatikan einzuschätzen ist. Die Relevanz der dort publizierten Note wird anschaulich angezeigt durch den Umstand, dass die Broschüre vom selben Ort kommt, wo man in einem sakrilegischen und blasphemischen Kult die heidnische Götzin Pachamama[19] verehrt hatte.
Wie sollen nun gläubige Katholiken darauf reagieren? Mit einer noch innigeren Verehrung der Immaculata, der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, unserer wundervollen Königin!
Ganz nach dem prophetischen Wort des hl. Ludwig Maria Grignion von Monfort: „Denn der Allerhöchste, der die Demütigen erhöht, hat bestimmt, dass der Himmel, die Erde und die Unterwelt, ob sie wollen oder nicht, sich unter das Zepter der demütigen Jungfrau beugen sollen, und so hat er Maria zur Gebieterin über Himmel und Erde gemacht, und sie zur Führerin seiner Heerscharen, zur Schatzmeisterin seiner Reichtümer, zur Ausspenderin seiner Gnaden, zum Werkzeug seiner großen Wunder, zur Erlöserin des Menschengeschlechtes, zur Mittlerin der Auserwählten, zur Vernichterin der Feinde Gottes und zur treuen Genossin seiner Herrlichkeit und seiner Triumphe erhoben.“[20]
21. November 2025
In Præsentatione Beatæ Mariæ Virginis
Pastor Frank Unterhalt
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[1] Mark I. Miravalle, Maria. Miterlöserin, Mittlerin, Fürsprecherin, Santa Barbara 1993, Vorwort.
[2] Fr. Brian W. Harrison, „Alice von Hildebrand Sheds New Light on Fatima“, Introductory commentary, in: OnePeterFive, 12. Mai 2016.
[3] Ludwig Maria Grignion von Montfort, Abhandlung von der Wahren Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria, 2. Teil, 2. Kapitel, 4. „Ein sicherer Weg“, 2, in: Das Goldene Buch, Feldkirch 1987, S. 120.
[4] Augustinus, Serm. 208. E. B. app.
[5] Alfons Maria von Liguori, Die Herrlichkeiten Mariens, Müstair 1991, S. 129.
[6] Ebd., S. 128.
[7] Bernhard von Clairvaux, Serm. in Nativ. B. V., De Aquaeductu.
[8] Ap. S. Bernardin, Pro Fest. V. M. serm. 5. c. 8.
[9] Bonaventura, Comment. in Evang. Lucae, c. I, n. 70 (op. 7, 27 ab).
[10] Ders., 26. Predigt auf Epiphanie.
[11] Bernhardin von Siena, Pro Fest. V. M. serm. 5. c. 8.
[12] Ebd.
[13] Papst Pius X., Enzyklika Ad diem illum (1904), ASS 36, S. 453–454.
[14] Papst Benedikt XV., Apostolischer Brief Inter Sodalicia (1918), AAS 10, S.182.
[15] Papst Pius XI., Gebet zum feierlichen Schluss des Jubiläums, 28. April 1935, in: L’Osservatore Romano, 29.–30. April 1935, S. 1.
[16] Papst Pius XII., Radiosendung an die Pilger in Fatima, 13. Mai 1946, AAS 38, S. 266.
[17] Papst Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater (1987), Nr. 18.
[18] Ders., Homilie im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Alborada in Guayaquil (Ecuador), 31. Januar 1985.
[19] Vulgata, Psalm 95(96),5: „Omnes dii gentium daemonia“ – Alle Götter der Heiden sind Dämonen.
[20] Ludwig Maria Grignion von Montfort, S. 19.
