Vergelt’s Gott ewiglich, Papst Benedikt!

Foto: Grzegorz Galazka

In tiefer Dankbarkeit verneigen wir uns vor Papst Benedikt XVI. und fühlen uns sehr geehrt, dass unser Volk der Kirche einen so großen Pontifex schenken durfte.
Es war wirklich historisch, dass mit der Wahl am 19. April 2005 nach 482 Jahren wieder ein Deutscher zum Nachfolger Petri bestimmt wurde.
Als „einfacher und demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn“[1] wollte er seinen Dienst in Kontinuität mit dem Pontifikat des hl. Papstes Johannes Paul II. sehen, dem er als Präfekt der Glaubenskongregation kongenial zur Seite gestanden hatte.

Dass Joseph Ratzinger sich stets als Cooperator veritatis[2] verstand, war bei seiner Predigt der Eröffnungsmesse zum Konklave Pro eligendo Romano Pontifice unverkennbar deutlich geworden:
„Einen klaren Glauben nach dem Credo der Kirche zu haben, wird oft als Fundamentalismus abgestempelt, wohingegen der Relativismus, das sich ‚vom Windstoß irgendeiner Lehrmeinung Hin-und-hertreiben-lassen‘, als die heutzutage einzige zeitgemäße Haltung erscheint. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“[3]

Hier traten die großen Themen seines Lebens hervor. Das Wesentliche der Schönheit des Glaubens freizulegen und dabei zu betonen, dass Fides und Ratio nicht etwa Gegensätze sind, sondern zusammengehören, war die entscheidende Konstante in der Vita dieses renommierten Gelehrten. Charakteristisch für den herausragenden Theologen waren dabei strahlende Intelligenz, brillante Rhetorik und echte Demut des Herzens. Das Licht der Wahrheit wollte er der Diktatur des Relativismus entgegensetzen und das Zeugnis des Glaubens geben angesichts der Ideologie des atheistischen Totalitarismus unserer Zeit.

So wusste er zu betonen, dass dort, wo der dreifaltige Gott groß wird, der Mensch nicht etwa klein, sondern auch er groß werde.[4]
In den Spuren der heiligen Kirchenlehrer Augustinus und Bonaventura erwies sich Papst Benedikt als Bewahrer der Offenbarung, erleuchtet vom Mysterium der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Davon kündeten vor allem seine Enzykliken. Gemäß dem Prolog des Johannesevangeliums führte der Pontifex immer wieder aus, dass im ewigen Logos, der zweiten Person der Göttlichen Dreieinigkeit, die Wahrheit selbst unter uns erschienen ist (vgl. Joh 1,17).

„Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus – dann findet ihr das wirkliche Leben!“[5]
Mit diesen Worten verwies Benedikt XVI., seinen Vorgänger zitierend, auf den einzigen Retter, dessen Liebe sich unüberbietbar im Erlösungswerk von Kreuzestod und Auferstehung gezeigt hat.
Schon die berühmte Erklärung Dominus Iesus hatte im Heiligen Jahr 2000 mit der Darstellung der Einzigkeit und Heilsuniversalität Christi und Seiner Kirche den wahren gottgewollten Glauben herausgestellt. In innerer Einheit damit erscheint insbesondere der Katechismus der Katholischen Kirche als weiteres profundes Geschenk unter der Federführung dieses ausgezeichneten Dogmatikers.

Im beeindruckenden Gesamtwerk Benedikts, welches über 20.000 Seiten umfasst, ragt wohl nach eigenem Bekunden die Trilogie Jesus von Nazareth hervor, zu der er „innerlich lange unterwegs gewesen“[6] war. Mit diesen Bänden wollte er die personale Identität des historischen Jesus mit dem Christus des Glaubens aufzeigen. Die Bedeutung des Christentums hängt an der Frage, warum das Leben Jesu, sein Sterben und seine Auferstehung die Situation jedes Menschen vor ihm und nach ihm grundlegend verändert hat. Die Identität des historischen Jesus mit dem verkündigten Christus der Kirche heißt nämlich, dass Gott selbst als der Mensch Jesus dahin gelangt ist, wo die Sünde dem Menschen zum Gefängnis geworden war. Das Paschamysterium des Erlösers hat das Tor zum ewigen Leben geöffnet. Niemand kommt zum Vater außer durch Ihn (vgl. Joh 14,6). Im von den Aposteln überlieferten Glauben und in den Sakramenten Seiner Kirche gelangt die Gnade zu uns.

Papst Benedikt hat in Sacramentum caritatis darauf hingewiesen, dass die Kirche als der Mystische Leib Christi ganz aus der heiligsten Eucharistie lebt: „‚Geheimnis des Glaubens!‘ – Mit diesem Ausruf unmittelbar nach den Konsekrationsworten verkündet der Priester das gefeierte Mysterium und drückt sein Staunen angesichts der Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi aus – einer Wirklichkeit, die alles menschliche Verstehen übersteigt. In der Tat, die Eucharistie ist das ‚Geheimnis des Glaubens‘ schlechthin: Sie ist ‚der Inbegriff und die Summe unseres Glaubens‘ (KKK 1327).“[7]
So ist die Feier des heiligen Messopfers im Hirtendienst des Pontifex stets die unverzichtbare Quelle und der absolute Höhepunkt gewesen. Besonderer Dank gebührt ihm für das starke und notwendige Zeichen der ehrfürchtigen Liebe, da er ab dem Fronleichnamsfest 2008 ausschließlich die kniende Mundkommunion gespendet hat.

Die Liturgie der Kirche war ihm immer ein großes Anliegen. Er ging davon aus, dass die Erneuerung der Kirche nur durch die Erneuerung der Liturgie geschehen könne. Ihr Wesensmerkmal ist, dass Gott in ihr agiert und nicht der Mensch sich vermeintlich kreativ selbstverwirklicht: „Es ist wirklich nicht vermessen, wenn man in einer auf Gott hin konzentrierten Liturgie, in den Riten und Gesängen, ein Abbild des Ewigen sieht.“[8]
Das Motu proprio Summorum pontificum vom 7. Juli 2007, worin das bis zur sogenannten Liturgiereform verwendete Römische Messbuch wieder allgemein zugelassen wurde, war nach den Worten des Heiligen Vaters „Frucht langen Nachdenkens, vielfacher Beratungen und des Gebetes“.[9] Das vermochte er sehr anschaulich darzulegen: „Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu wahren, die im Glauben und Beten der Kirche gewachsen sind, und ihnen ihren rechten Ort zu geben.“[10]

Papst Benedikt XVI., gesegnet mit den Gaben der Reinheit und der Innerlichkeit, ist immer ein Mann des Gebetes gewesen und sozusagen ein Vertreter der knienden Theologie. Er wollte vor allem mit Gott sprechen und nicht nur über ihn. Regelmäßig die Stille suchend und sich dem Wirken des Heiligen Geistes öffnend, wusste er insbesondere Stärkung zu finden in der Eucharistischen Anbetung und im Rosenkranz. Die kindliche Hingabe an die Jungfrau und Gottesmutter Maria ermöglichte ihm, tief in die vertraute Freundschaft mit dem Herrn einzutreten. Daher bleiben seine Worte beim Weltjugendtreffen in Köln 2005 unvergessen: „Liebe Jugendliche, das Glück, das ihr sucht, das Glück, auf das ihr ein Anrecht habt, hat einen Namen, ein Gesicht: Es ist Jesus von Nazareth, verborgen in der Eucharistie. Er allein schenkt der Menschheit Leben in Fülle! Sagt gemeinsam mit Maria euer ‚Ja‘ zu dem Gott, der sich euch schenken will.“[11]

Ganz in diesem Sinn ist er am 31. Dezember 2022 aufgebrochen zum Herrn.
Das Datum verweist auf eine Zeitenwende.
Hinterlassen hat er der Kirche einen unermesslichen Schatz voller Weisheit und Strahlkraft.
Diesen gilt es nun zu betrachten und auszuschöpfen für die wirkliche Erneuerung.
Schon jetzt sehen wir diesen großen Theologen als Kirchenlehrer unserer Epoche und als wahren Katechon im geistigen Kampf.
In inniger Verbundenheit rufen wir ihm mit dieser Erklärung zu: „Vergelt’s Gott ewiglich, Papst Benedikt!“
Seine letzten Worte sind wie das Testament seines ganzen Lebens und zeigen das Herz des treuen Nachfolgers des heiligen Apostels Petrus (vgl. Joh 21,15–17):
„Signore, ti amo!“[12]

31. Januar 2023

Priesterkreis Communio veritatis

_____________________________

[1] Vgl. Papst Benedikt XVI., Apostolischer Segen Urbi et Orbi. Erster Gruß am 19. April 2005.
[2] Vgl. Msgr. Andrea Cordero Lanza di Montezemolo, „Das Wappen von Papst Benedikt XVI.“, in: vatican.va: „Kardinal Joseph Ratzinger wählte für das Wappen, das er als Erzbischof und Kardinal hatte, das Motto: ‚Cooperatores Veritatis‘ [Mitarbeiter der Wahrheit].“
[3] Kardinal Joseph Ratzinger, Predigt in der „Missa pro eligendo Romano Pontifice“ am 18. April 2005.
[4] Vgl. Papst Benedikt XVI., Predigt in Altötting am 11. September 2006.
[5] Vgl. Ders., Predigt in der Heiligen Messe zur Amtseinführung am 24. April 2005.
[6] Vgl. Ders., Jesus von Nazareth, Freiburg · Basel · Wien 2006, 1. Teil, Vorwort, S. 10.
[7] Ders., Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis über die Eucharistie Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche (22. Februar 2007), 6.
[8] Ders., Ansprache in der Abtei Heiligenkreuz am 9. September 2007.
[9] Ders., Brief an die Bischöfe anlässlich der Publikation des Apostolischen Schreibens „Motu proprio data“ Summorum Pontificum über die römische Liturgie in ihrer Gestalt vor der 1970 durchgeführten Reform, 7. Juli 2007.
[10] Ebd.
[11] Papst Benedikt XVI., Ansprache auf den Poller Rheinwiesen am 18. August 2005.
[12] L’Osservatore Romano, „Ein Schatz, der bleibt“, 13. Januar 2023.