Zehn katholische Priester haben im Erzbistum Paderborn den Kreis „Communio veritatis“ unter dem Patronat des heiligen Johannes Paul II. gegründet, um sich in der Krise der Kirche zu stärken. Ein Gespräch mit Pastor Frank Unterhalt von Brilon. Von Regina Einig
Herr Pastor Unterhalt, ist es heute sinnvoll, dass Priester sich innerhalb einer Diözese zu Austausch und Gebet zusammenschließen? Warum genügt die Gemeinschaft des Presbyteriums nicht?
Wir erleben momentan eine massive Glaubens- und Kirchenkrise. Die Priester finden oft in den Gemeinden eine dramatisch säkularisierte Situation vor. Ein enges Vernetzen im Sinne einer echten Fraternitas bietet dabei einen enormen Rückhalt und ermöglicht auch ein gemeinsames Vorgehen.
Wofür steht der Name Communio veritatis?
Unser Priesterkreis weiß sich der Wahrheit verpflichtet, die untrennbar mit der Göttlichen Barmherzigkeit verbunden ist. Prägen sollen uns die Liebe zu Jesus Christus, dem einzigen Erlöser, das Vertrauen auf die himmlische Mutter der Kirche und die Treue zum beständigen Lehramt. Wir möchten die Schönheit des katholischen Glaubens verkünden, ohne dessen Anspruch zu verschweigen.
Inwieweit besteht eine Beziehung zwischen der Gründung von Communio veritatis und dem Anliegen „Neuevangelisierung“ von Johannes Paul II.?
Der Priesterkreis Communio veritatis hat sich bewusst am Fest Kathedra Petri unter das Patronat des heiligen Papstes Johannes Paul II. gestellt, weil er der Menschheit auf besondere Weise sowohl den Glanz der Wahrheit als auch die Liebe Gottes zeigen durfte. Er hat den Weg der Neuevangelisierung durch Zeugnis und Verkündigung eindrucksvoll beschritten. Die Quelle seines Lebens ist die tägliche Zelebration des heiligen Messopfers gewesen. Einen hohen Stellenwert hat er der eucharistischen Anbetung beigemessen. Dieses Herzensanliegen hat Papst Benedikt XVI. hervorragend weitergeführt, indem er den würdigen Empfang der heiligen Kommunion mit dem Mund und auf den Knien gefördert hat. Johannes Paul II. hat betont, dass die wahre Reform tief mit dem Wiederbeleben des Bußsakramentes zusammenhängt. Mit seinen Verlautbarungen hat er der Kirche einen unermesslichen Schatz hinterlassen. Beeindruckt hat er uns mit seinem Vertrauen auf die Macht des Gebetes – der Rosenkranz hat ihn immer begleitet.
Vorstöße für Änderungen in der Seelsorge werden derzeit von Theologen mit den Argumenten „Barmherzigkeit“ und „mit den Menschen ins Gespräch kommen“ untermauert. Wie bewerten Sie das? Bedeutet das im Umkehrschluss, dass in dieser Beziehung in den Pfarreien bisher zu wenig unternommen worden ist?
Einen Widerspruch zwischen Lehre und Pastoral kann es im katholischen Glauben nicht geben. Die Barmherzigkeit ist die größte Eigenschaft Gottes, steht aber niemals im Gegensatz zu seiner Gerechtigkeit. Daher gibt es kein wirkliches Erbarmen ohne Wahrheit. Gegenwärtig erleben wir nicht selten das Vortäuschen einer gefälschten Barmherzigkeit, die das Gegenteil dessen ist, was sie vorgibt zu sein. Sie wird gegen die göttlichen Gebote ausgespielt. Wer die Schönheit der wahren Barmherzigkeit kennenlernen möchte, der lese einmal das Tagebuch der heiligen Schwester Faustyna. Es ist dringend notwendig, den Menschen die wahre Liebe des Schöpfers zu zeigen. Sie brauchen die Erfahrung seiner Güte, die sehnsuchtsvoll auf ihre Rückkehr wartet und gerade deshalb die Bekehrung will. Die Barmherzigkeit des Vaters hätte dem verlorenen Sohn im Gleichnis ja nichts genutzt, wenn er nicht mit Reue in dessen Arme aufgebrochen wäre – aus dem Tod ins Leben. Jesus Christus, der das inkarnierte göttliche Erbarmen ist, hat die Menschen daher kraftvoll zur Umkehr aufgerufen und sie vor dem ewigen Verderben als Folge der Sünde gewarnt. Vor diesem Hintergrund empfinde ich folgende Stelle im Weltkatechismus als aufschlussreich: „Vor dem Kommen Christi muss die Kirche eine letzte Prüfung durchmachen, die den Glauben vieler erschüttern wird. […] Ein religiöser Lügenwahn bringt den Menschen um den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit eine Scheinlösung ihrer Probleme“ (KKK 675).
Viele klagen über die Verwirrung und den Mangel an Einigkeit in der Kirche. Wenn Bischöfe und Kardinäle einander widersprechen – was können Sie als Priester dazu beitragen, um diese Not zu überwinden?
Zunächst gilt es, die gegenwärtige Krise zu verstehen, indem man sie in einen größeren Zusammenhang einordnet. Geradezu prophetisch wirkt die Aussage Pauls VI. ein Jahr vor seinem Tod gegenüber einem Journalisten: „Eine große Verwirrung gibt es in unseren Tagen in der Welt und in der Kirche, und was hier in Frage steht, ist der Glaube. […] Wenn ich die katholische Welt betrachte, scheint es, dass im Inneren des Katholizismus manchmal ein Denken von einem nichtkatholischen Typus die Oberherrschaft gewinnt, und es kann geschehen, dass morgen dieses nichtkatholische Denken im Inneren des Katholizismus das stärkste sein wird. Aber es wird nie das Denken der Kirche darstellen. Es ist notwendig, dass eine kleine Herde bleibt, wie klein sie auch immer sein mag.“ Es geht also – um mit Romano Guardini zu sprechen – immer um die Kirche des Herrn. Als Priester muss man den Glaubensschatz treu bewahren und ihn verkünden – gelegen oder ungelegen.
Die Ehe- und Familienlehre des heiligen Johannes Paul – insbesondere in seinem Schreiben Familiaris consortio – ist in Deutschland kaum vermittelt worden und gilt als nicht lebbar. Trifft das zu? Welche Erfahrungen haben Sie in der Seelsorge gemacht?
Das Apostolische Schreiben Familiaris consortio ist eine beständig gültige Verlautbarung des kirchlichen Lehramtes. Diese wurde in Deutschland oft gezielt ignoriert – heute wie damals. Johannes Paul II. hat in Liebe zur Wahrheit bezüglich der Familienpastoral in schwierigen Situationen dazu aufgerufen, die verschiedenen Fälle zu unterscheiden und Hilfe anzubieten (FC 84). Er bekräftigt dabei deutlich die „auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zur eucharistischen Kommunion zuzulassen“ (vgl. KKK 1650). In wahrer Hirtensorge führt er aus, dass sich ein solches Paar – wenn aus ernsthaften Gründen eine Trennung nicht möglich ist – verpflichtet, völlig enthaltsam zu leben, um die Sakramente der Buße und der Eucharistie empfangen zu können. Nach dem deutschen Vorstoß hat der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger, bereits 1994 im Schreiben an die Bischöfe mit dem Verweis auf Familiaris consortio klargestellt, dass es dabei keine Ausnahmen für bestimmte Fälle und nach Gewissensurteil geben kann. Nicht selten haben sich Gläubige sehr dankbar gezeigt, wenn ihnen der gewiss nicht einfache Weg durch das enge Tor gewiesen wurde, welches zur Freiheit in Gott führt.
Viele Bischöfe und Kardinäle ziehen es angesichts der Krise vor, sich schweigend zurückzuziehen. Alles andere verwirre noch mehr und belaste die Einheit. Was erwarten die Gläubigen in dieser Situation von Ihnen als Priester?
Wie kann ein Diener Christi schweigen, wenn es so entscheidend um den Herrn und seine Kirche geht wie jetzt? Viele Gläubige erwarten dringend ein klares und mutiges Bekenntnis. Der Priesterkreis Communio veritatis unterstützt mit allem Nachdruck die Dubia und möchte so einen Beitrag leisten zur Einheit in der Wahrheit.
Dieses Interview erschien zuerst in Die Tagespost – online abrufbar nur für Abonnenten.