Gedanken zum Pfingstfest

Ausgießung des Heiligen Geistes
Rabbula Evangeliar (Gemeinfrei)

Als die Apostel und die anderen Jünger nach dem Abschied von Jesus wieder zusammenkommen und über alles beratschlagen, was sich ereignet hat und nach dem Willen und Voraussagen Jesu ereignen soll, da setzt sich bei ihnen sehr schnell die Erkenntnis durch: Wir müssen endlich etwas tun! Jesus wollte, dass seine Botschaft in die ganze Welt hinausgetragen wird; dazu wollte er die Kirche gründen, die sich dieser Aufgabe annimmt; zwar hat Jesus gesagt, wir sollten auf die Ankunft des Heiligen Geistes warten, aber erstens wissen wir nicht, was das ist, Heiliger Geist, und zweitens können wir ja die Wartezeit sinnvoll ausnutzen statt sie mit Nichtstun zu verplempern.

Und so machen sie sich ans Werk. Zunächst wird ein Sachausschuss gegründet, der sozusagen die Probleme im Vorfeld klären soll. Nach langen Beratungen legt der Sachausschuss aber den Aposteln dar, dass man für solche kniffligen Fragen, wie sie sich aus der Organisation einer so bedeutenden Institution wie der Kirche ergeben, kompetente Fachleute ansprechen müsse; und so gründen sie etliche Fachausschüsse, als erstes einen Finanzausschuss für ein Kirchensteuerkonzept, die Beschaffung staatlicher Zuschüsse und privater Spenden, einen Fachausschuss für Werbung und Medienarbeit, einen Ausschuss für Caritas und Soziales, einen Ausschuss für die geographische Einteilung der Missionsgebiete, einen für Frauenfragen, Feminismus und Genderismus in der Kirche (Der Vorschlag des Apostels Johannes, die Mutter Jesu in dieses Gremium zu berufen, wurde strikt und einstimmig abgelehnt; Maria habe keinerlei emanzipatorisches und feministisches Bewusstsein entwickelt und halte nach wie vor starrköpfig daran fest, Magd des Herrn zu sein.); des Weiteren einen Ausschuss für Schule und Erziehung, einen für Hierarchie und Kirchenleitung, Demokratie und Synodalität. (Dass die Apostel und unter ihnen Petrus eine besondere Führungsaufgabe bekommen würden, war klar; aber sonst wollten ja auch noch viele mitsprechen; das musste unter den modernsten soziologischen, gruppendynamischen und psychologischen Erkenntnissen organisiert werden.)

Alle krempeln nun (bildlich gesprochen) die Ärmel hoch und fangen mit Enthusiasmus an zu arbeiten (sprich: zu tagen und zu organisieren).

Zwischendurch meint der eine oder andere ein Wehen zu spüren, einen kräftigen Luftzug, der über ihn streicht wie von einem starken Wind, und auch ein Brennen wie von Feuer meinen einige in sich zu spüren, aber in ihrem Eifer, nun endlich die Kirche organisieren zu können, wie sie es sich gewünscht haben, registrieren sie das nicht weiter. Und so tagen sie weiter, entwerfen Konzepte, fertigen Arbeitspapiere an, organisieren und organisieren und organisieren … und wenn sie sie nicht gestorben wären, dann würden sie noch heute organisieren.

Hier möchte ich aufhören mit dem modernen Märchen. Jeder weiß: So ist die Kirche nicht gegründet worden. Gott sei Dank nicht so! Wie aber wurde sie gegründet? Etwas zugespitzt gesagt: Die Kirche wurde gegründet durch Nichtstun. Die Kirche entstand, weil die Apostel und die anderen Jünger nichts taten, sondern sich in gläubigem, stillem und betendem Warten für die verheißene Gabe Gottes, den Heiligen Geist, öffneten und leer machten. Am Anfang der Kirche waren Menschen da, die – statt in Aktionismus zu verfallen, wie wir es heute so gern halten – einfach warteten, gläubig, still und betend. Und bei solchen Menschen und mit ihnen konnte und kann Gott durch die Kraft seines Geistes Großes vollbringen.

Ich meine, dass wir diese Haltung des wartenden, betenden Nichtstuns heute wieder mehr lernen müssten. Die Kirche ist entstanden als Gebetsgemeinschaft. Nichts gegen Arbeit und Einsatz und menschliches Mühen für die Kirche, das Reich Gottes, für Gott und seine Botschaft. Aber wir dürfen nie dabei vergessen – und es muss uns bescheiden machen – wie die Kirche entstand: im wartenden und betenden Nichtstun, einzig durch die Kraft Gottes. Wichtig ist, dass wir mehr Gott vertrauen als menschlichem Aktionismus, der oft dem Geist Gottes keinen Raum lässt und menschlicher Eitelkeit dient.

Über solchen modernen Aktionismus hat der Theologe Hans Urs von Balthasar einmal sehr bissig, aber auch sehr deutlich geschrieben:

Der Sünderhaufen in der Kirche, der wir alle sind, hat sich zu allen Kirchenzeiten mehr oder weniger idiotisch benommen, zumal dann, wenn er durch listige Manipulationen ein gegenwärtiges oder zukünftiges approximatives Reich Gottes herbeizaubern zu können behauptete, aber selten idiotischer als heute, wo jeder, seine Nase an die Schalttafel gedrückt, gespannt darauf wartet, ob die Strukturen schon hinreichend geändert sind, damit endlich der Motor des kommenden Reiches anspringt: ‚Sie wissen nicht, was sie tun.‘ – Warum ich (trotzdem) in der Kirche bleibe? Weil seltsamerweise wir Idioten alle sie mit unseren Maßnahmen immer noch nicht umzubringen vermocht haben.“

Denn Kirche – so möchte ich hinzufügen – entstand und lebt aus der Kraft des Geistes – Gott sei Dank! Sonst hätten wir Idioten sie wahrscheinlich längst nicht nur mit unserem Versagen, sondern auch mit blindem Aktionismus umgebracht.

Pfarrer Manfred Rauterkus