Hilfe! Ich bin konservativ!

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In dulci jubilo erklingt allüberall der Hochgesang vom „Synodalen Weg“ der deutschen Diözesen. Und alles könnte so schön sein, wenn… ja, wenn es nicht einige Kirchenlümmel gäbe, die nicht mitsingen wollen und den Jubelgesang für ein garstig Lied halten. Vorwurfsvoll, manchmal verächtlich heißen sie: Die Konservativen! Oder etwas grober auch Erzkonservative!

Eines Morgens, als ich wieder solcher Vorwürfe beim Zeitunglesen am Frühstückstisch gewahr wurde, war ich mir endlich ganz und gar gewiss: Ich bin einer von denen! Verzweiflung packte mich. Tieftraurig musste ich mir eingestehen: Helf‘ mir Gott! Ich bin konservativ!

Es war, als hätte ein Pferd mir einen Huftritt versetzt. Mir ging es wie weiland dem Imperator Augustus, als die Nachricht nach Rom gelangte, dass drei seiner Legionen unter General Publius Quintilius Varus in Germanien niedergemetzelt worden waren.

Erst blieb ihm vor jähem Schrecken
ein Stück Pfau im Halse stecken.
Dann geriet er außer sich
und schrie: Varus, schäme dich!
Redde legiones!

Zwar blieb mir kein Stück Pfau, wohl aber der leckere Brötchenbissen im Halse stecken. Und es war, als würde mir Seine Kaiserliche Majestät zurufen: Schäme dich! Ja, ich schämte mich! … Schrecklich!

Tief verunsichert fragte ich mich: Kann ich mich noch aus dem Haus trauen? Konservativ! Welch furchtbarer Makel haftete da an mir! Kann ich mich noch unter die Menschen wagen? Werden sie mit den Fingern auf mich zeigen? Vielleicht sogar Spießruten laufen lassen? Schließlich schlich ich mich, von Angst geschüttelt, aus dem Haus. Über geheime Wege und Pfade floh ich von dannen und suchte Zuflucht in der Einsamkeit des Waldes. Ich brauchte Muße und Stille zum Nachsinnen. Wie Sankt Antonius in der Einöde und Wüste Ägyptens. Sollte ich hier bleiben? Eine Hütte bauen? Doch wozu sollte das nützen? Man würde mich doch irgendwann aufspüren.

Also suchte ich in der Dunkelheit der Nacht wieder mein Heim auf. Müde schlich ich zu Bett. Kaum in einen unruhigen Schlummer gesunken, hatte ich einen angstvollen Traum: Vor mir stand eine Gruppe von Menschen. Frauen waren es. Und ein junger Mann, ein JUSY (=JUngSYnodaler), abgesandt vom Bund der Deutschen (wenig) Katholischen Jugend. Auf die „ewig Gestrigen“ in der Kirche dürfe man nicht mehr hören, so hatte er erst kürzlich in der Zeitung kundgetan.
Manche der Frauen waren in liturgische Priestergewänder gekleidet; einige hatten eine Bischofsmitra auf dem lockigen Kopf. Auch eine Gestalt ganz in Weiß stand dabei. War es der Heilige Vater? Aber nein, es war auch eine Frau. Die Frauen trugen kleine und große Schilder mit sich, die sie an Stangen hochreckten. Was darauf stand, konnte ich nicht genau erkennen; nur sah ich eine rätselhafte Zahl, nämlich 2.0.

Was bedeutete sie? War sie das Ergebnis eines Fußballspiels? Aber nein! Das schreibt man doch anders. War sie ein Symbol? Aus der Bibel konnte es nicht sein, das war mir klar. Und was wollten die Leute von mir? Plötzlich verwandelten sich ihre Schilder in spitze Stangen und Spieße. Und zusammen mit dem JUSY standen sie vor mir, mich böse anfunkelnd und wütend auf mich zielend mit ihren Spießen, als wollten sie mich damit durchbohren. Und jedesmal, wenn sie damit zu mir hin stießen, schrie mich der JUSY an: „Gestrig, ewig gestrig!“ Und die Frauen: „Konservativ, konservativ, konser…!“
Ängstlich wich ich zurück, aber sie kamen immer näher. Gerade als ich wähnte, mein letztes Stündlein habe geschlagen, wachte ich schweißgebadet auf. Gott sei Dank, es war nur ein Traum!

Doch ich schwor mir, nicht eher wieder erquickenden Schlummer zu suchen, bis ich erforscht hätte, was denn konservativ sei. Sind sie, die Konservativen, destruktive Kräfte? Traditionalisten? Betonköpfe? So stand und steht es vielerorts geschrieben. Oder ewig Gestrige, wie der JUSY meint? Doch wie kann ein „Bewahrer“ destruktiv sein? Betonkopf? Schuldbewusst muss ich gestehen: Ein Mitbruder aus meinem Weihekurs hat einmal gemeint, ich sei ein sturer sauerländischer Dickkopf. Doch ist ein Dickkopf auch ein Betonkopf? Und ist nicht jemand, der immer modern im Heute leben will, morgen schon von gestern? Fragen über Fragen, auf die ich so schnell keine Antwort fand.

Noch in selbiger Nacht suchte ich Rat bei klugen Frauen und weisen Männern, blätterte in ihren Worten und Weisheitssprüchen, die ich in vielen Jahren aufbewahrt und gesammelt hatte. Und siehe da! Ich  fand guten Rat  bei einem vielgerühmten und in allen deutschen Landen bekannten Weisen namens Hans Maier, Doktor und Professor und vorzeiten Staatsminister für Unterricht, Kultur, Wissenschaft und Kunst im schönen Land der Bajuwaren. Er habe, so las ich, gesagt:

Ein Konservativer ist jemand, bei dem der Groschen einige Jahre früher fällt als bei den anderen.

Das war Balsam für meine wunde Seele. Ich atmete auf. Ich brauchte nicht zu fliehen. Musste mich nicht verstecken. Brauchte keine einsame Hütte im Wald. Fürderhin kann ich auch wieder ruhig schlafen. Kein Albtraum soll mich zukünftiglich mehr schrecken, denn:

Dem Himmel sei Dank – ich bin konservativ!

Pfarrer Manfred Rauterkus